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Heliatek eröffnet in Dresden Fabrik für organische Solarzellen

Der Backend-Teil der Heliatek-Anlage - hier werden die bedampften Solarzellen verkapselt und konfektioniert. Abb.: Heliatek

Der Backend-Teil der Heliatek-Anlage - hier werden die bedampften Solarzellen verkapselt und konfektioniert. Abb.: Heliatek

Häuser sollen zu Energieernte-Maschinen werden

Dresden, 12.3.2012. Die Firma Heliatek hat gestern in Dresden die – nach eigenen Angaben – weltweit erste Fabrik offiziell in Betrieb genommen, die im Vakuum organische Solarzellen von der Rolle produziert. Die biegsamen und teils auch durchsichtigen Solarstromernter sollen zunächst in neuartigen Ladegeräten für Tablett-Computer verwendet werden, später den Weg zu Häuser ebnen, die sich mit Strom völlig selbst versorgen, indem nicht nur Dächer, sondern auch Fassaden und Fenster mit den Dresdner Organik-Solarzellen beschichtet werden. Die sächsische Regierung knüpft große Hoffnungen an diese innovative Technologie.

Organiktechnologie-Cluster entstanden

Rückseite einer Solarfolie aus der Rolle-zu-Rolle-Verdampfungsanlage. Abb.: Heliatek

Rückseite einer Solarfolie aus der Rolle-zu-Rolle-Verdampfungsanlage. Abb.: Heliatek

„In Sachsen ist ein weltweit einzigartiges Cluster für organische Elektronik und Dünnschichttechnik entstanden“, freute sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), als er die neuartige Anlage einweihte. Um die nämlich rankt sich eine ganze Wertschöpfungskette in der Region, die weiter wachsen soll. Denn Kernkompenenten der zweistöckigen „Rolle-zu-Rolle-Maschine“, die im Endlosbetrieb unter Vakuumbedingungen organische Solarzellen auf biegsame Folien dampft, sind von Unternehmen aus der Region entwickelt worden, von FHR in Ottendorf-Okrilla beispielsweise, von Xenon Dresden und CreaPhys Dresden.

Pilotphase größtenteils von öffentlicher Hand finanziert

 

 

Wirtschaft und Politiker hoffen, dass sich an dieses Konglomerat (Cluster) job-trächtige Endprodukthersteller im Raum Dresden „andocken“. Auch deshalb hatte der Freistaat die 14 Millionen Euro Anlaufkosten, die Heliatek in den sechs Jahren von der Gründung durch die Unis Dresden und Ulm bis zur jetzt präsentierten Pilotanlage in Kaditz-Mickten verbraucht hat, mit 4,5 Millionen Euro gefördert. Rechne man andere öffentliche Geldgeber wie EU und Bund hinzu, seien bisher sogar rund zehn Millionen Euro Förderung in die Firma geflossen, teilte Heliatek-Technik-Direktor Martin Pfeiffer mit. De Rest steuerten Unternehmen wie BASF, Bosch und RWE bei, die an die Dresdner Vision glauben.

Firma muss 50 Mio. € auftreiben: Ab 2014 Massenproduktion auf größere Anlage geplant

Die Pilotanlage ist freilich nur ein Auftakt: Wenn in den nächsten Wochen und Monaten die Kinderkrankheiten der neuen Technik ausgebügelt sind, werde er weitere 50 bis 60 Millionen Euro auftreiben müssen, um eine zweite, größere Anlage bauen zu können, die ab 2014 pro Jahr Organiksolarmodule mit einer Gesamtleistung von 50 bis 75 Megawatt produziert, kündigte Heliatek-Chef Thibaud Le Séguillon an. Dann dürften auch Umsatz (für 2012 sind nur ein paar 100.000 Euro avisiert) und Personal steigen – bisher beschäftigt das Unternehmen 64 Mitarbeiter in Dresden und zehn in Ulm.

Heiko Weckbrodt

Die Technologie dahinter:

Ähnlich wie die Firma Novaled, die auf organische Leuchtdioden (OLEDs – gewissermaßen die Umkehrtechnologie zu Solarzellen) spezialisiert ist, entstand Heliatek 2006 als Ausgründung der Dresdner Photonik-Forschung an der TU und den Fraunhofer-Instituten.

–> Idee: Während herkömmliche Kristallsolarzellen auf dem Computerchip-Material Silizium basieren, verwendet Heliatek kurze Kohlenwasserstoffverbindungen als Sonnenlichtsammler, ähnlich wie beim Chlorophyll in Pflanzen.

–> Vorteil: Anders als im energiezehrenden Siliziumprozess können die Organiksolarzellen bei relativ niedrigen Temperaturen auf biegsame Polyester-Kunststoffbahnen im Vakuum aufgedampft werden. Sie lassen sich auch transparent fertigen. Zudem sind sie dünner und leichter als Kristallzellen. Die Fertigung ist laut Heliatek energiegenügsamer als die Siliziumtechnik und kommt ohne Giftstoffe aus.

–> Probleme bereiteten in der Vergangenheit die niedrige Energieausbeute und die aufwendige Produktion in Vakuumkammern. Inzwischen hat Heliatek die Effizienz (Verhältnis gewonnener Strom zur einfallenden Sonnenlichtenergie) auf knapp zehn Prozent gesteigert. Damit kommen die Organikzellen zumindest nahe an Kristallinzellen heran, die um die 16 Prozent Lichtausbeute erreichen. Zwölf bis 15 Prozent sind laut Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer in naher Zukunft möglich. Zudem seien die Organikzellen in der Hitze Afrikas und in den Dämmerstunden Europas effektiver als ihre Siliziumbrüder. Um die Produktion selbst zu rationalisieren, hat sich Heliatek eine einzigartige Rolle-zu-Rolle-Anlage von sächsischen Unternehmen konstruieren lassen, die die Module nicht mehr einzeln, sondern ähnlich wie im Zeitungdruck auf abrollenden Bahnen – und somit schneller – erzeugt.

Die Visualisierung zeigt eine mit transparente Solarzellen beschichtete Glasveranda. Abb.: Heliatek

Die Visualisierung zeigt eine mit transparente Solarzellen beschichtete Glasveranda. Abb.: Heliatek

-> Anwendungen: International planen mehrere Firmen Schutzhüllen für Tablett-Rechner, die mit biegsamen Solarzellen beschichtet sind und damit zum Beispiel ein iPad während des Transports wieder aufladen. Auch bemühen sich Elektronikkonzerne weltweit darum, die Gehäuse von eBuch-Lesegeräten und Handys gleich mit durchsichtigen und flexiblen Solarzellen zu beschichten, um die praktische Akkulaufzeit zu verlängern – auch hierfür bietet sich die Dresdner Technologie perspektivisch an. Vor allem aber hofft Heliatek auf Großaufträge aus der Bauindustrie: Wolkenkratzer, die nicht nur auf dem Dach, sondern auch an Fassaden und Fenstern mit transparenten Organik-Solarzellen versehen sind, könnten die 2020 in Kraft tretenden EU-Richtlinien für Null-Energie-Häuser, also energieautarke Gebäude, erfüllen. hw

Tillich: Photonik ist Schlüsseltechnologie

Während der Einweihung der neuen Heliatek-Fabrik für organische Solarzellen hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) seine Kritik an den Bundesplänen erneuert, die Photovoltaik-Einspeiseförderung vorzeitig einzudampfen. Die Photonik (Lichttechnologie) sei eine Schlüsseltechnologie für den Standort Deutschland, betonte Tillich. Er sei recht zuversichtlich, dass die EU diese Industrie im Juni in ihren Katalog besonders förderwürdiger Hochtechnologien aufnehme, um der milliardenschweren Subventionspolitik in China für die dortige Photovoltaik etwas entgegen zu setzen. hw

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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