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ASSID: Fraunhofer-Forschungsfabrik für 3D-Chips in Dresden fertiggestellt

Gelbes Licht für tageslichtscheue 3D-Chips: Blick in die Lithografie des ASSID-Reinraums in Dresden. Abb.: hw

Gelbes Licht für tageslichtscheue 3D-Chips: Blick in die Lithografie des ASSID-Reinraums in Dresden. Abb.: hw

Dresden, 26.7.2012: Das Dresdner Fraunhofer-Zentrum ASSID hat zwei Jahre nach der Gründung nun den Aufbau seiner Forschungs-Chipfabrik abgeschlossen. Inzwischen gehört die Einrichtung zu den weltweiten Technologieführern für die Konstruktion von 3D-Chips. Solcher Stapelelektronik sagen der Halbleiterverband SEMI und andere Branchenbeobachter eine große Zukunft voraus, da der boomende Computerhandy- und Tablettrechner-Markt, aber auch die Autoindustrie fordern, immer mehr Hightech-Funktionen auf kleinstem Raum zu integrieren. Das ASSID will deshalb seine Mannschaft vergrößern und erwägt, eine Forschungs-Foundry zu gründen, also einen 3D-Chip-Auftragsfertiger für Mittelständler.

Das riesige Prozessorwerk von Globalfoundries schräg gegenüber hat zwar einen weit größeren Reimraum – das „All Silicon System Integration Dresden“ (ASSID) an der Stadtgrenze zu Boxdorf dagegen nur 970 Quadratmeter – doch sonst sieht es in der Fraunhofer-3D-Chipfabrik auf den ersten Blick ganz ähnlich aus: Frauen und Männer in weißblauen Schutzanzügen, vermummt bis auf die Augen, wuseln zwischen höchst technisch blinkenden Hightech-Anlagen, ganze Abteilungen sind in Gelb getränkt, um die tageslichtscheuen Chips zu schonen. Die Operators und Ingenieure schieben ellengroße Siliziumscheiben in stählerne Folterkammern, wo sie bespritzt, bestrahlt, mit Miniaturkugeln beschossen und zersägt werden…

Werbevideo vom ASSID:
Forscher entwickeln TSV-Technik und Vernetzungs-Imposer auf Dünn-Wafern

Die Fraunhofer-Experten zielen allerdings in eine andere Richtung als in die Massenproduktion von Prozessoren wie bei Globalfoundies. Sie entwickeln Techniken, um Prozessoren, Speicher und andere Elektronik hauchdünn übereinander zu stapeln. Dabei bohren sie winzig kleine Tunnel in die Tiefen des Silizium, gießen Kupfer hinein (Kupfer-TSV-Technik = „through-silicon via„) und vernetzen diese Bausteine damit untereinander auf kleinstem Raum, statt sie – wie früher üblich – „außenrum“ miteinander zu verdrahten.

Wafer nur 100 Mikrometer dünn

Um die Chipstapel über 100 µm lange Tunnel durchkontaktieren zu können, arbeitet das ASSID mit Dünn-Wafern, die sogar biegsam sind. Abb.: hw

Um die Chipstapel über 100 µm lange Tunnel durchkontaktieren zu können, arbeitet das ASSID mit (biegbaren)  Dünn-Wafern. Abb.: hw

Zu ihren Spezialitäten gehören hauchdünne „Imposer“-Schichten, die sie wie winzige Leiterplatten zwischen die Chipstapel schieben, damit sich die Bausteine untereinander „verstehen“. Deshalb verwenden sie in ihrer Forschungsfabrik auch sogenannte „Dünn-Wafer“, die nur 100 Tausendstel Millimeter dick sind und damit etwa siebenmal zarter als klassische Siliziumscheiben.

Forscher erwägen Ausgründung einer 3D-Chip-Foundry für den Halbleiter-Mittelstand

Diese Imposer-Technik beherrschen weltweit nur ganz wenige Anbieter wie etwa die taiwanesische Groß-Foundry TSMC, betont Prof. Klaus-Dieter Lang von der Berliner ASSID-Mutter, dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Für solche Konzerne sind Aufträge von Kleinunternehmen und Mittelständlern indes eher uninteressant – gerade aber von denen tummeln sich viele in der sächsischen Mikroelektronik-Szene.

IZM-Chef Klaus-Dieter Lang. Abb.: hw

IZM-Chef Klaus-Dieter Lang. Abb.: hw

Damit diese auch ohne eigene teure Chipfabriken zu modernster Elektronik kommen, erwägen die Fraunhofer-Forscher eine Foundry aus dem ASSID auszugründen. Das kündigte Lang bei einem Besuch von Dresdens Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) im ASSID an. Immerhin handele es sich hier um die modernste Fertigungslinie dieser Art in ganz Europa.

Ehemalige Backend-Entwicklungsfabrik von Qimonda übernommen

Und auf deren Entwicklungskapazitäten greifen bisher vor allem viele Große der Branche zurück: Infineon zum Beispiel, Globalfoundries, NXP und andere. Um diese Projekte zu realisieren, hat das ASSID bisher 33 Spezialisten angestellt, deren Zahl soll schrittweise auf bis zu 50 wachsen.

„Darunter sind auch viele ehemalige Qimondianer“, sagt ASSID-Chef Jürgen Wolf. Das ist kein Zufall: Früher befand sich in dem Gebäude eine Qimonda-Forschungsfabrik für innovative Chipmontage-Techniken („Backend„), die nach der Pleite des Speicherchip-Herstellers von der Fraunhofer-Gesellschaft übernommen wurde.

Prozessoren, Speicher, Krypto-Chips und Analog-Bausteine übereinander gestapelt, um Platz zu sparen

Denn schon Qimonda hatte erkannt, dass in der Chipstapelei die Zukunft steckt. In moderne Computertelefone, Tablets, Spielekonsolen und andere mobile Geräte, aber auch in mit Elektronik vollgestopfte Autos passen nämlich herkömmliche Leiterplatten, auf die man brav einen Chip neben den anderen steckt, kaum noch hinein. Und so werden mehr und mehr Funktionsbausteine in 3D-Technik übereinandergestapelt und durchkontaktiert: Rechenwerke, Speicher, Verschlüsselungs-Chips, ja sogar ganze Handyfunk-Empfangsmodule und analoge Bauteile.

Die Fraunhofer-Gesellschaft hatte die frühere Qimonda-Forschungsfab an der Grenze zwischen Dresden und Boxdorf vor zwei Jahren übernommen und dort das ASSID eingerichtet. Abb.: hw

Die Fraunhofer-Gesellschaft hatte die frühere Qimonda-Forschungsfab an der Grenze zwischen Dresden und Boxdorf vor zwei Jahren übernommen und dort das ASSID eingerichtet. Abb.: hw

SEMI: Europa mischt bei 3D-Chiptechnik ganz vorne mit

Neben den Taiwanesen mischen auf diesem noch jungen Markt die Europäer ganz vorne mit. „Viele europäische Halbleiterfirmen und -Institute sind heute weltweite Führer für die 3D-Chiptechnik“, schätzt der Branchenverband „SEMI Europe“ ein, der deshalb im Januar 2013 Europas Spitzenkräfte auf diesem Gebiet zu einem Gipfeltreffen ins französische Grenoble einlädt – im Steuerungskomitee sitzt übrigens auch ASSID-Chef Jürgen Wolf.

Neue Fraunhofer-Forschungsallianz soll zur SEMICON Dresden geschmiedet werden

Und bis zur Branchenkonferenz „SEMICON Europe“ im Oktober in Dresden wollen die Fraunhofer-Ingenieure auch eine neue Fraunhofer-Allianz für 3D-Chiptechnik schmieden. Wenn dies gelingt, winken zusätzliche Forschungsmillionen von der Fraunhofergesellschaft – die auch den Standort Dresden und Europa stärken dürften. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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