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Heliatek Dresden startet im Herbst Verkauf organischer Solarmodule

Ein Heliatek-Mitarbeiter prüft in der Dresdner Fabrik ein organisches Solarmodul. Seit zwei Wochen spuckt die Anlage funktionsfähige Muster aus, in zwei Monaten sollen verkaufsfähige Produkte bereit stehen. Abb.: Heliatek

Ein Heliatek-Mitarbeiter prüft in der Dresdner Fabrik ein biegsames  organisches Solarmodul. Seit zwei Wochen spuckt die Anlage funktionsfähige Muster aus, in zwei Monaten sollen verkaufsfähige Produkte bereit stehen. Abb.: Heliatek

Cheftechnologe: „Autohersteller reißen uns Module aus der Hand“

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer

Dresden, 30.7.2012: Heliatek Dresden will im Herbst mit dem Verkauf seiner biegsamen und transparenten organischen Solarmodule beginnen. Das kündigte Cheftechnologe Dr. Martin Pfeiffer heute im Oiger-Gespräch an. „Seit zwei Wochen gibt die Linie funktionsfähige Module her“, sagte er. „In etwa zwei Monaten rechne ich mit den ersten verkaufsfähigen Produkten.“

Und das Interesse der Industrie an der innovativen Solartechnologie sei groß: „Die Automobilhersteller zum Beispiel reißen uns die Module regelrecht aus der Hand“, freute sich der studierte Physiker Pfeiffer. So wolle ein Unternehmen die flexiblen und transparenten Module als Energiesammler auf Autodächern einbauen – der so eingefangene Sonnenstrom soll eingesetzt werden, um parkende Autos bei Sommerhitze im Stand zu kühlen.

Biegsam, durchsichtig und chic: Tastaturen, Autodächer und Glasfassaden mit Organiktechnik geplant

Auch Architekturglas-Hersteller hoffen auf die organischen Heliatek-Zellen, um damit ganze Haus-Glasfassaden zu Sonnenstrom-Erntern zu machen. Ebenso gebe es Interesse von Tastaturherstellern, die energieautarke Designer-Keyboards damit bauen wollen. Auch der Einsatz auf Bushaltestellen sei geplant. „Ich glaube, da haben sich viele in die Transparenz und Farbmöglichkeiten unserer Module verliebt – die Leute finden unsere Zellen ,einfach schön’, das habe ich bei Präsentationen oft gemerkt“, erzählte Pfeiffer.

Konzeptstudie: Mit organischen Solarzellen beschichtetes Auto. Abb.: Heliatek

Konzeptstudie: Mit organischen Solarzellen beschichtetes Auto. Abb.: Heliatek

Die Technologie dahinter beruht auf sogenannten „Oligomeren“ – speziellen organischen Molekülen, die im Vergleich zu den besser bekannten Polymeren relativ kurze Ketten bilden. Sie werden unter anderem auch von der Dresdner Firma „Novaled“ verwendet, die dadurch zum Schlüsselzulieferer nicht nur für Heliatek, sondern auch für die richtig großen OLED-Bildschirmhersteller in Fernost aufgestiegen ist (Wir berichteten).

Anders als bei Organischen Leuchtdioden (OLEDs) legt man an die Heliatek-Module aber nicht Strom an, um Licht zu erzeugen, sondern wandelt umgekehrt Sonnenlicht in Strom um. Dafür werden die Spezialmaterialien auf einer – übrigens auch in Sachsen entwickelten – Rolle-zu-Rolle-Maschine auf flexible Folien aufgedampft, verkapselt und mit Stromleitern kontaktiert. Das Endprodukt ist etwa so groß wie eine Badfliese.

Energieausbeute wächst in der Dämmerung

Im Vergleich zu herkömmlichen Silizium-Solarmodulen hat diese „Organische Photovoltaik“ (OPV) Vor- und Nachteile. So wandeln die Heliatek-Module derzeit 10,7 Prozent der einfallenden Lichtenergie in Strom um – Siliziumzellen kommen auf 16 Prozent Energieausbeute und teils noch mehr. Pfeiffer hält eine Effizienz-Steigerung seiner Module auf bis zu 14 Prozent in naher Zukunft für realistisch – verweist aber auch darauf, dass OPVs bereits jetzt bei schwachem Licht und wechselnden Temperaturen deutlich mehr Strom liefern als Silizium-Zellen.

Gerade wegen dieser Dämmerlicht-Effizienz ist das Interesse für den Einsatz auf Autos, Tastaturen und Haltestellen so groß – anders als traditionelle Solarkraftwerke stehen die eben eher selten im besten Sonnenschein. Zudem sind die Heliatek-Module biegsam (und damit zum Beispiel auf gewölbten Autodächern gut aufbringbar), können durchsichtig (bis zu 40 Prozent Transparenz) gefertigt werden und geben viele Farbeffekte her.

Heliatek will ab 2015 Gewinne schreiben

Noch steht Heliatek erst am Anfang: 2006 als Ausgründung der Unis Dresden und Ulm entstanden, nahm die risikokapital-finanzierte Firma im März 2012 ihre erste Fabrik in Dresden-Kaditz in Betrieb. Erst 2015 steht der Übergang von der Serien- zur Massenproduktion an. Dann werde das Unternehmen voraussichtlich auch erstmals Gewinne schreiben, schätzte Pfeiffer.

Keine Angst vor Chinesen: „Wir haben die Nadel im Heuhaufen gefunden“

Doch dass dem Unternehmen ein ähnliches Schicksal wie der klassischen Solarindustrie in Deutschland droht, die von den Chinesen rechts überholt wurde, glaubt Pfeiffer nicht: „Wir sind weltweiter Technologieführer für organische Solarzellen, haben zahlreiche Grundlagen-Patente und unsere Technik ist nicht so einfach kopierbar“, betont er. „Wir haben da die Nadel im Heuhaufen gefunden.“ Die Konkurrenz sei eher klein: Die OPV-Firma „Solarmer“ in Los Angeles hinke hinter der Entwicklung in Dresden hinterher und US-Mitbewerber „Konarka“ ist inzwischen pleite gegangen.

Blick in die Verkapselungs-Linie der Dresdner Heliatek-Fabrik. Abb.: Heliatek

Blick in die Verkapselungs-Linie („Backend“) der Dresdner Heliatek-Fabrik. Abb.: Heliatek

Organik-Cluster in Sachsen entstanden

Zudem kann sich Heliatek in Sachsen auf ein ganzes Netzwerk von Firmen und Instituten stützen, die mit organischer Elektronik zu tun haben – hier hat der „Cluster“-Ansatz wirklich Früchte getragen. Neben Novaled gehören dazu der Vakuumkammer-Spezialist Creaphys Dresden, die Anlagenbauer Xenon Dresden und FHR in Ottendorf-Okrilla, die die neuartige Rolle-zu-Rolle-Taktstraße von Heliatek gebaut haben. Bei der Laser-Strukturierung der Module halfen das Fraunhofer-Institut IWS Dresden und 3D Micromac aus Chemnitz, bei der Verkapselung der Zellen ein Anlagenbauer aus dem sächsischen Bad Lausick – die Reihe ließe sich fortsetzen.

„70 Prozent unserer Kapazität sind von sächsischen Zulieferern gekommen“, berichtete Pfeiffer. „Und das geschah nicht aus Lokalpatriotismus, sondern weil die uns bei unserer weltweiten Suche die besten Angebote gemacht haben.“

Transparentes organisches Solarmodul von Heliatek Dresden. Abb.: Heliatek

Transparentes organisches Solarmodul. Abb.: Heliatek

Klinkenputzen für millionenschweren Fabrikausbau in Dresden

Daher will Heliatek dem Standort Dresden auch in absehbarer Zeit die Treue halten. So ist für die nächste Fabrikerweiterung, die 2014/15 für 60 Millionen Euro ansteht, der Standort Dresden bereits eingelocht. Hat das „Klinkenputzen“ bei Kapitalgebern Erfolg, soll es dann auch mit der Massenproduktion richtig losgehen, will Heliatek erstmals richtig Geld verdienen und den Personalstamm – momentan 87 Mitarbeiter – deutlich erweitern. Pfeiffer: „Wie es dann weiter geht, steht in den Sternen.“

Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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