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Heute ist Weltfernmeldetag – Technik hat Völkerverständigung wie Kriege befördert

Fenrmeldetechnik 1918: Brieftauben wurden auch als Kommunikationsmittel eingesetzt. In diesem Falle hat die Taube eine Spionagekamera unterm Bauch oder sie trug Kapseln mit Briefen wie die Brieftaubenpost für die französische Spionage. Das Exponat ist heute im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden ausgestellt. Foto: Marion Doering

Fenrmeldetechnik 1918: Brieftauben wurden auch als Kommunikationsmittel eingesetzt. In diesem Falle hat die Taube eine Spionagekamera unterm Bauch oder sie trug Kapseln mit Briefen für die französische Spionage. Das Exponat ist heute im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden ausgestellt. Foto: Marion Doering

„Licht und Schatten nahe beieinander“

Dresden, 17. Mai 2013: Heute feiern Ingenieure rund um den Globus den „Weltfernmeldetag“ – Experten sehen indes „Licht wie auch Schatten“ in der rasanten Entwicklung der Fernmeldetechnik, die man heute Telekommunikation nennt.

„Urtriebfeder der Menschheit“

„Sprache und Informationen über weite Distanzen zu übertragen, war schon von jeher eine Urtriebfeder der Menschheit“, ist Eberhard Krocker überzeugt – und der Mann muss es wissen: Fast 30 Jahre lang forschte und lehrte er als Professor für Nachrichtentechnik an der TU Dresden und beschäftigte sich bis zu seiner Emeritierung 1992 auch eingehend mit der Geschichte der Fernmeldetechnik.

Vernetzt und doch vereinzelt

Und die aus diesem Urtrieb entwickelten Technologien haben, so sagt er, unser Leben vollkommen umgekrempelt. „Durch Handys und Smartphones ist heute jeder für jeden überall erreichbar – aber auch überwachbar. Da liegen Licht und Schatten nahe beieinander.“ So habe die moderne Telekommunikationstechnik zweifellos einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Verständigung der Völker geleistet, aber auch zur „Vereinzelung des Menschen beigetragen. Man sitzt daheim am PC oder zückt das Smartphone, statt seine Mitmenschen wirklich aufzusuchen, mit ihnen zu reden“, warnt der emeritierte Professor.

Prof. Ralf Lehnert. Foto: TU Dresden

Prof. Ralf Lehnert. Foto: TU Dresden

„Mobiltelefone sind einfach sexy“, erklärt sich sein Nachfolger Prof. Ralf Lehnert, der heute das TU-Institut für Telekommunikation leitet, die Handy-Mania unserer Zeit. „Ich weiß noch, wie ich 1995 meine erste SMS irgendwo aus dem Wald abgesetzt habe – das fand ich toll.“

 

 

 

 

 

Am Anfang kräuselte der Rauch

"Das Rauchsignal" von Frederic Remington (1905). Repro: artchive.com, Wikipedia, Public Domain

„Das Rauchsignal“ von Frederic Remington (1905). Repro: artchive.com, Wikipedia, Public Domain

Die Anfänge dieser Nachrichtenübertragung aus der Ferne waren indes alles andere als sexy, eher dreckig und aufwendig: Rauchzeichen, wie sie die Chinesen vor über 1000 Jahren wie auch die Indianer in Amerika einsetzten, gelten gemeinhin als die erste Datenfernübertragung – mit Durchsatzraten von wenigen Byte je Minute, wenn man es in heutigen Einheiten misst. Schon etwas weiter reichte die optische Telegrafie, die teils bereits in der Antike eingesetzt wurde, vor allem aber auf Druck von Militär und Eisenbahn Anfang des 19. Jahrhunderts boomte und durch Ketten von Zeigerstationen etwa ein Zeichen pro Stunde über Distanzen von bis zu 1000 Kilometern übertragen konnte.

Militär und Eisenbahn trieben Entwicklung voran

Morsegerät des Linienschiffes "SMS Braunschweig". Deutsches Reich (1903). Funktelegrafen waren die ersten Funkgeräte um die Jahrhundertwende. Meist waren sie sehr schwer und groß, so dass sie für einen mobilen Einsatz nicht in Frage kamen. Auf größeren Kriegsschiffen verbesserte sie die Kommunikation mit anderen Schiffen und dem Land erheblich, Foto: Marion Doering

Morsegerät des Linienschiffes „SMS Braunschweig“. Deutsches Reich (1903). Funktelegrafen kamen für einen mobilen Einsatz nicht in Frage. Auf größeren Kriegsschiffen verbesserten sie aber die Kommunikation mit anderen Schiffen und dem Land erheblich. Foto: Marion Doering

Die Ära der Sprachübertragung setzte ein, als Philip Reis in Deutschland und Alexander Graham Bell um 1861 das „Telephon“ zur Marktreife führten. Und auch da waren die Schattenseiten bereits erkennbar, denn vor allem das Militär nutzte die neue Technik, um Truppen zu koordinieren, Feinbewegungen auszukundschaften – letztlich ein Startpunkt für die Maschinen-Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts.

Auch das für seine Ingenieure und Tüftler bekannte Sachsen leistete wichtige Beiträge für diese damals noch jungen Technologien. TU-Professoren wie Heinrich Georg Barkhausen (1881-1956) oder Hans Frühauf (1904-1991) entwickelten unter anderem Verstärker für die Informationsübermittlung auf weiten Strecken.

Und auch heute mischen Dresdner Forscher in der Telekommunikation, in der die früher parallelen Entwicklungen von Sprach- und Datenmeldetechnik verschmolzen, ganz vorne mit – nur dass es heute nicht mehr um Elektronenröhren und Widerstände, sondern um Chips und Hochfrequenzen geht. So ist Lehnerts Kollege Prof. Gerhard Fettweis eine der weltweit führenden Koryphäen für die Entwicklung moderner Handy-Datennetze jenseits des LTE-Standards, für superschnelle Elektronikschaltungen und Dämpfung des Energiehungers moderner Kommunikations-Chips.

In Zukunft fahren Autos automatisch um Fußgänger herum

Und gerade diese Ansätze dürften zentrale Herausforderungen für die Telekommunikationstechnik von morgen sein, die unseren Alltag wohl noch einmal ordentlich umkrempeln wird. „Heute als Fußgänger auf eine belebte Straße zu laufen, hat etwas Selbstmörderisches“, nennt Prof. Lehnert ein Beispiel. „In Zukunft – und da spreche ich von der nächsten Dekade – werden die Autos um solch einen unaufmerksamen Passanten von allein herumfahren, weil sie automatische Steuerungssysteme haben“, sagt Lehnert.

Um derart schnell reagieren zu können, werden diese Autopiloten freilich sehr schnelle Elektronik mit extrem kurzen Signallaufzeiten brauchen – und daran wird derzeit an der TU Dresden geforscht.

Flaches Design, großes Display: Das LTE-Handy "HTC One XL". Foto: HTC

LTE-Handy „HTC One XL“. Foto: HTC

Droht der Energie-Kollaps?

Die Antwort auf eine andere Gefahr sieht Krocker derzeit an der Dresdner Uni heranreifen, die sich im Rahmen von Exzellenz-Projekten intensiv mit Stromspar-Chips beschäftigt: „Die Datenmengen, die wir über unsere Netze übertragen, werden immer weiter in die Höhe schnellen“, meint er.

„Wenn wir den Stromverbrauch der dahinter steckenden Elektronik nicht deutlich senken können, werden wir bald an einem Punkt anlangen, dass alle Elektrizitätswerke des Landes allein mit dem Energieverbrauch unserer Nachrichtentechnik voll ausgelastet sind. Überspitzt würde es dann heißen: Licht oder Handy.“

Heiko Weckbrodt

 

Stichwort „Weltfernmeldetag“

Die – mittlerweile wegen ihrer Internetpolitik recht umstrittene – „Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union = ITU) hat den Weltfernmeldetag erstmals 1967 ausgerufen. Seitdem wird er jährlich am 17. Mai gefeiert. Da das klassische Fernmeldewesen inzwischen in der Telekommunikation aufgegangen ist, werden an diesem Tag nicht nur Telefon, Telegraf & Co. gewürdigt, sondern zum Beispiel auch die Entwicklung des Internets. hw

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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