Immer mehr Sortimente wandern ins Netz – außer Speisen
Dresden/Berlin, 2. März 2014: Weil immer mehr Deutsche Konsumgüter im Internet statt in Präsenzläden kaufen, gerät der stationäre Einzelhandel unter wachsenden Druck. Allerdings sind nicht alle Sortimente betroffen: Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs werden nach Meinung von Wirtschaftsforschern auch weiterhin eher vor Ort gekauft. Ähnliches gilt für Billigprodukte, die im Vergleich zum Endpreis zu hohe Versandkosten verursachen würden. Allerdings versuchen Netz-Warenhäuser wie Amazon seit geraumer Zeit, auch dieses Kleinartikel-Segment zu bedienen, indem sie solche Waren als sogenannte „Plus-Produkte“ in Pakete mit teureren Artikeln kostenlos mit eintüten.
Kuchen wird nicht größer, sondern neu aufgeteilt
„Die Sortimentsbreite im Online-Handel wächst und natürlich geht das zu Lasten des stationären Einzelhandels, denn die Gesamtnachfrage wächst kaum“, schätzt Prof. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut Dresden ein. „Das hat mit Büchern und Elektronik angefangen, inzwischen bieten Internethändler wie Amazon nahezu alles an Produkten an.“
Per Saldo gehen Jobs in Deutschland verloren
Dies führe langfristig mindestens zu einer Verlagerung, wahrscheinlich aber eher zu einem Verlust von Jobs, meint Ragnitz. Denn zwar stellt auch der wachsende Internethandel neue Mitarbeiter ein, beschäftigt bei gleichem Umsatz durch seine Zentralisierung und höhere Effektivität vergleichsweise weniger Menschen. Zudem werden viele Online-Bestellungen letztlich über das Ausland abgewickelt.
Angesichts dieser Trends warnt Ragnitz: „Da wundert man sich, dass zum Beispiel in Dresden noch so viele Einkaufszentren aufgebaut werden.“ Indes sei kaum zu befürchten, dass die Innenstädte eines Tages durch den Trend zum Online-Kauf frei von Läden sein werden: „Gerade bei Lebensmitteln und Billigartikeln sehe ich nicht, dass sich da der Internetvertrieb in naher Zukunft durchsetzen kann.“
GfK: Online-Handel wächst um 8 %, Präsenzhandel nur um 0,2 %
Diese Überlegungen decken sich auch mit einer Untersuchung der „Gesellschaft für Konsumforschung“ (GfK). Demnach ist der Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent auf 164 Milliarden Euro Umsatz gewachsen – ein solides Ergebnis. Der restliche stationäre Einzelhandel hingegen legte um gerade mal 0,2 Prozent auf 150,6 Milliarden Euro zu. Hier vollziehe sich ein „radikaler Wandel durch den E-Commerce“, also den Internethandel, schätzen die Konsumforscher ein. Letzterer nämlich wuchs im selben Jahr um acht Prozent auf 25,4 Milliarden Euro – zu Lasten des klassischen Einzelhandels außerhalb des Lebensmittel- und Drogeriesektors.
Mehrkanal-Vertrieb als Ausweg
Andererseits zeigen Beispiele wie „Cyperport“ in Dresden, wie Online- und stationärer Handel auch zusammenpassen und für Wachstum auch vor Ort sorgen können: Einst als kleiner Apple-Händler gegründet, konzentrierte sich die Firma beizeiten auf den Online-Handel – und ist heute mit über einer halben Milliarde Euro Verkäufe eines der umsatzstärksten Unternehmen in der Stadt.
Netzhändler Cyberport baut Ladennetz auf – und es funktioniert
Und: Der Elektronikhändler führt auch das Lamentieren vieler Händler ad absurdum, die darüber klagen, „die Leute lassen sich bei uns beraten und gucken sich die Waren an und kaufen sie dann im Internet“. Denn gewachsen ist Cyberport zwar durch den Online-Handel, hat aber inzwischen ein Netz von Präsenzläden in Deutschland und Österreich aufgebaut, das erheblich zum Umsatz beiträgt. Die Idee dabei ähnelt dem Konzept der Apple-Stores: Potenzielle Kunden wollen trendige Elektronikgeräte auch erst mal anfassen, ausprobieren, eine Produktwelt „erleben“ – und ob sie die Waren dann im Präsenzladen oder über das Internetportal kaufen, kann Cyberport egal sein. Autor: Heiko Weckbrodt
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