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Mit dem Atari ins alte Byzanz

Nach Jahrzehnten vollbracht: Prof. Stefan Deschauer mit seinem nun publizierten Opus, das ein neues Licht auf die Mathematik kurz vor dem Fall Konstantinopels wirft.  Foto: Heiko Weckbrodt

Nach Jahrzehnten vollbracht: Prof. Stefan Deschauer mit seinem nun publizierten Opus, das ein neues Licht auf die Mathematik kurz vor dem Fall Konstantinopels wirft. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Deschauer im Kurzinterview über jahrzehntelange Übersetzungsarbeit

Professor Stefan Deschauer vom Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik an der TU Dresden hat in jahrelanger Arbeit eine der wichtigsten byzantinischen Mathe-Handschriften aus der Endzeit des oströmischen Reichs transkribiert, übersetzt und bearbeitet. Redakteur Heiko Weckbrodt hat ihn über Motive, Hürden und Resultate befragt.

Sie haben an diesem Buch und den Vorarbeiten jahrzehntelang gearbeitet, anfangs wohl mit einem Heimcomputer!?

Atari 800 XL. Foto: hw

Atari 800 XL. Foto: hw

Deschauer: Ich habe diese Schrift 1985 in die Hand gedrückt bekommen. Damals gehörte der Atari-Heimcomputer zum Besten, was man kaufen konnte. Und es gab für den Atari ein Programm namens „Signum“, das historische Sonderzeichen wie eben die griechischen Buchstaben darstellen konnte – und übrigens nie abstürzte! Als ich nach Dresden kam, hat mir ein Informatik-Kollege einen Emulator programmiert, damit ich auf dem PC weiterschreiben konnte. Später hat ein anderer Kollege sogar noch eine Garagenfirma in den USA aufgetrieben, die es mir wiederum ermöglichte, die Atari-Dateien, die heute kein Verlag mehr lesen kann, in PDF-Dokumente umzuwandeln.

Was hat sie an dieser alten Handschrift so fasziniert?

Deschauer: Ich bekam damit die Chance, meine altsprachlichen Kenntnisse aus der Schule mit meinem mathematischen Lebensweg zu verknüpfen. Das war, als ob man als Erwachsener noch mal Lesen lernt. Ich war richtig stolz, als ich soweit war, die alten griechischen Schriften flüssig lesen zu können. Und ich denke, das daraus entstandene Buch ist wichtig gerade auch für Mathematikhistoriker und Byzantinisten, von denen viele die alten mathematischen Handschriften scheuen.

Die Schrift ist kurz vor dem Fall Konstantinopels entstanden. Auf welchem Wissensstand waren die Byzantiner jener Zeit?

Deschauer: Sieht man sich die gesamte byzantinische Zeit an, war in Konstantinopel der hohe Wissensstand der Antike immer mehr verblasst. In den letzten Jahrzehnten vor dem Fall der Stadt haben die Gelehrten dort aber enorm viel mathematische Erkenntnisse aus den benachbarten Kulturkreisen gesammelt, es kam zu einer Renaissance der Wissenschaften. Das zeigt sich auch in „meiner“ Handschrift, die Dezimalbrüche behandelt, 150 Jahre bevor sie im Westen bekannt wurden.

Zum Weiterlesen:

Byzanz und die Null

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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