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Wo die Industrie schweinert, macht Dresdner Umwelttechnik sauber

Mechatroniker Marcel Scheffler justiert in der Umwelt- und Ingenieurtechnik eine Anlage, mit der das Algenwachstum in Wasser überprüft werden kann.  Foto: Heiko Weckbrodt

Mechatroniker Marcel Scheffler justiert in der Umwelt- und Ingenieurtechnik eine Anlage, mit der das Algenwachstum in Wasser überprüft werden kann. Foto: Heiko Weckbrodt

UIT-Technologien weltweit bei Hightech-Rohstoffsuche, Flutschutz und Recycling gefragt

Dresden, 24. April 2014: Werden Hightech-Rohstoffe knapp oder erlässt die EU neue Umweltnormen, ist die Wirtschaft meist wenig erfreut – allerdings animiert dies die Unternehmen, umweltbewusster zu agieren und Werkstoff zu recyceln. Diesem Trend zur Ressourcen-Ökologie haben sich in Sachsen nicht nur die Unis und Helmholtz-Institute in Dresden und Freiberg verschrieben, sondern auch Technologiefirmen wie die „Umwelt- und Ingenieurtechnik Dresden GmbH“ (UIT). Die Ingenieure, Physiker, Chemiker und Programmierer dort haben sich auf die richtig schwierigen Fälle spezialisiert: Sie projektieren und bauen Anlagen, die komplexe Schadstoff-Cocktails aus Industrieabwässern extrahieren, Hightech-Metalle aus Bergen herausspülen – und auch Alarm schlagen, wenn ein Hochwasser im Anmarsch ist. Und ihr Wissen ist weltweit gefragt, Unternehmen und Forschungseinrichtungen von Schweden bis Australien, von Kanada bis China gehören zu ihren Kunden.

Spezialanfertigungen gegen Schadstoff-Cocktails

 Geschäftsführer Lars Braun (rechts, mit Messsonde) und Horst Märten  Foto: Heiko Weckbrodt

Geschäftsführer Lars Braun (links, mit Messsonde) und Horst Märten Foto: Heiko Weckbrodt

„Wir entwickeln hier Hochtechnologien, um die Umwelt zu überwachen, sauberer zu machen und prophylaktisch zu verbessern“, skizziert Geschäftsführer und Physiker Horst Märten das hehre Unternehmensziel. Natürlich ist ihm und seinem Zweiten Geschäftsführer Lars Braun klar, dass diesen Anspruch auch viele andere in der Branche formulieren. Aber: „Zu uns kommen die Kunden, wenn sie keine Anlagen von der Stange, sondern Spezialanfertigungen brauchen, automatisierte Umwelttechnik zum Beispiel, die komplizierte Schadstoffmischungen reinigt, die wertvolle Rohstoffe wiedergewinnt“, meint Braun.

Automatische Flutwarnsysteme installiert

Einen Teil dieses speziellen Know-Hows nutzen viele Dresdner schon heute regelmäßig, ohne es recht zu wissen: UIT nämlich war es, die für die Landeshauptstadt in Konsequenz aus der Flutkatastrophe 2002 ein Netz von 60 automatisierten Grundwasser-Messstellen aufbaute, die nun tagtäglich ihre Erkenntnisse zur freien Einsicht ins Internet funken. Auch in Tschechien und Österreich haben die Dresdner Warnsysteme gegen Sturzfluten aus den Bergen und Staudammschäden installiert.

Berg durchspülen, statt aufzuhacken

Nicht so sichtbar, aber mittelbar für unseren Alltag nicht weniger wichtig, ist die Mess- und Aufbereitungstechnik, die UIT zum Beispiel für Bergbau- und Bodenschatz-Erkundungsunternehmen in Australien, den USA und Kasachstan entwickelt hat. Die nämlich hilft dabei, strategische Hightech-Materialien wie „Seltene Erden“, die in unser aller Handys und Tablettcomputern stecken, aufzuspüren und ökologisch rücksichtsvoller als früher abzubauen.

„Im Gegensatz zu Tagebauen oder klassischem Bergbau, der sich mit seinen Stollen durch die Erde frisst und immer zu schweren Eingriffen in die Umwelt führt, setzt unsere Technik auf die Produktion im Berge“, erklärt Märten. Dabei werden nur Bohrlöcher gesetzt und darin spezielle Kerne unter Tage gebracht, die dann die begehrten Metalle ohne Abraum und Schutt aus dem Berg lösen und nach oben transportieren. Die Erfahrungen dafür haben die Ingenieure übrigens gesammelt, als sie bei der Sanierung der Wismut-Hinterlassenschaften halfen.

Wachstum durch Ökotechnik-Bedarf

 Techniker Mike Mildner bei der Endkontrolle für ein Sensorssystem für Wasserwerte  Foto: Heiko Weckbrodt

Techniker Mike Mildner bei der Endkontrolle für ein Sensorssystem für Wasserwerte Foto: Heiko Weckbrodt

Andere UIT-Anlagen setzen spezielle chemische und physikalische Verfahren ein, um beispielsweise die Produktions-Abwässer in der Solar-, Chip- oder Autoindustrie von Schwermetallen, organischen Resten und Ölen zu befreien. Und weil all diese Technologien durch staatliche Auflagen, wachsendes Umweltbewusstsein und Werkstoff-Verknappung für die globale Wirtschaft immer wichtiger werden, rechnet die UIT angesichts des Ressourcen-Ökobooms mit weiteren Wachstum – derzeit macht das Unternehmen fünf Millionen Euro Jahresumsatz und beschäftigt 30 feste sowie eine projektabhängig schwankende Zahl freier Mitarbeiter. Ein großer Teil davon sind Akademiker.

Wie all dies von der Forschung und den ersten Prozesssimulationen im Computer bis zur fertigen Anlage zustande kommt, wollen die UIT-Spezialisten den Dresdnern während der Industrienacht am 24. Juni 2014 an zehn Labor-, Mess- und Entwurfsstationen vorführen. Die Chefs hoffen einerseits ganz eigennützig, dadurch angehende Akademiker für eine Karriere in ihrer Firma zu gewinnen.

Hervorgegangen aus ostdeutschem Kombinat für „Verteidigungstechnik“

Andererseits wollen sie das Unternehmen auch schlicht unter den Dresdnern bekannter machen. Das nämlich hat auch eine interessante Geschichte: UIT ist Teil der Gruppe „Spezialtechnik Dresden“, zu der sieben Firmen mit zirka 600 Mitarbeitern deutschlandweit gehören. Und bei dem Namen wird manch alteingesessener Dresdner vielleicht aufhorchen: Hervorgegangen ist die Gruppe aus dem DDR-Rüstungskombinat „VEB Spezialtechnik Dresden“, das 1990 seine Militärentwicklungen aufgab und sich auf anspruchsvolle Gleisbautechnik, Umwelttechnologien, Airbag-Recycling und ähnliche ungewöhnliche Hightech-Aufgaben stürzte. Heute ist die Spezialtechnik im Familienbesitz des Amerikaners Neal Blue, dem auch der US-Hightech- und Rüstungskonzern „General Atomics“ gehört.

Erst Jet-Entwurf, dann DDR-Rüstung, jetzt Umwelttechnik

UIT selbst entstand aus dem ZFT-Forschungszentrum des Kombinats, hat seinen Sitz auch in der ehemaligen Kombinatsleitung aufgeschlagen. Und die Wurzeln dieses Gebäude wiederum reichen bis zurück zu Walter Ulbrichts Versuch, die DDR zu einem international führenden Düsenflugzeug-Zentrum zu machen: Am Ende einer versteckten Sackgasse neben dem Flughafen gelegen, untersuchten die ostdeutschen Luftfahrt-Ingenieure hier einst die Aerodynamik ihrer Jet-Entwürfe. Noch heute kündet der wulstige, längst stillgelegte Windkanal am Gebäudeende von dieser Vergangenheit – und gab der Straße ihren Namen: Zum Windkanal. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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