Geschichte, News
Schreibe einen Kommentar

Der Stasi-Reißwolf schlummert

Mikrofiche-Technik aus DDR-Produktion ist in der hemaligen Stasi-Bezirkszentrale Dresden ausgestellt. Foto: hw

Mikrofiche-Technik aus DDR-Produktion ist in der hemaligen Stasi-Bezirkszentrale Dresden ausgestellt. Foto: hw

Dresdner „Gedenkstätte Bautzner Straße“ öffnet nach Umbau

Dresden, 7. Mai 2014: Nach einem 2,35 Millionen Euro teuren Um- und Ausbau und mit einem halben Jahr Verzögerung öffnet am 9. Mai 2014 die „Gedenkstätte Bautzner Straße“ wieder. In der früheren Stasi-Bezirkszentrale können die Besucher nun zum Beispiel auch Stasi-Technik, das Büro des letzten Dresdner Geheimdienst-Generals und ein Fluchtflugzeug besichtigen.

Geheimdienst-Akten gingen in Rauch auf

Herbert Wagner vor der Gedenkstätte. Foto: Heiko Weckbrodt

Herbert Wagner vor der Gedenkstätte. Foto: Heiko Weckbrodt

„Die Stasi vernichtet ihre Akten!“ Das Gerücht machte im Wendeherbst in der Stadt die Runde und leitete das Ende des gefürchteten Geheimdienstes in Dresden ein. Hunderte zogen am 5. Dezember 1989 vor die Stasi-Bezirkszentrale an der Bautzner Straße, unter ihnen auch der spätere CDU-Oberbürgermeister Herbert Wagner, um dem örtlichen Militärstaatsanwalt zu „helfen“, seinen Pflichten nachzukommen und die Aktenvernichtung zu stoppen. Die war da bereits in vollem Gange, wie sich Wagner erinnert: „Schwarzer Rauch stieg aus dem Schornstein auf.“

 

Keine „Politischen“: Knackis wollten nur Zigaretten von „Befreiern“

Der Dresdner Stasi-General Horst Böhm bei einer Schul-Weihung. Repro: Heiko Weckbrodt

Der Dresdner Stasi-General Horst Böhm bei einer Schul-Weihung. Repro: Heiko Weckbrodt

Tatsächlich gelang es den Demonstranten, die Stasi schachmatt zu setzen: Die Wachposten schossen nicht, als die Dresdner das Gelände stürmten. Sogar Bezirksverwaltungs-Chef Generalmajor Horst Böhm zückte schließlich entnervt sein Schlüsselbund, um das Volk von der Straße überall einzulassen. Etwas gedämpft wurde der revolutionäre Elan, als die Erstürmer politische Gefangene befreien wollten: Die waren bereits via Amnestie ausgeflogen. Im alten sowjetischen Geheimdienst-Knast „Fuchsbau“ langweilten sich nur ein paar „gewöhnliche“ Kriminelle in Trainingsanzügen. „Die freuten sich über unsere Befreiungsversuche gar nicht richtig. Sie baten nur, dass wir ihnen eine Schachtel Zigaretten täglich besorgen – darum haben sich die Wolfspelz*-Leute gekümmert“, erzählt Wagner mit einem Augenzwinkern.

Stasi-Technik und Generalsbüros nun zu besichtigen

Heute ist er Vorsitzender des Vereins „Erkenntnis durch Erinnerung“, der einen großen Teil des Stasi-Areals zur Gedenkstätte gemacht hat, und freut sich sehr: Nachdem er im U-Hafthaus und im unterirdischen „Fuchsbau“ früher nur die Opferperspektive zeigen konnte, ist durch den größtenteils städtisch finanzierten Um- und Ausbau nun mehr Platz, um auch die Täterperspektive des ostdeutschen Repressionsapparates zu zeigen: Der Stasi-Festsaal wurde im DDR-Stil saniert, das Böhm-Büro samt Beratungsraum verlagert und restauriert, es gibt jetzt Platz zur Akteneinsicht und für Bildungsveranstaltungen. Besichtigen können die Besucher Mikrofiche- und Foto-Technik der Stasi, Aktenreißwölfe, ein von einem Dresdner selbstgebautes Flugzeug für die Flucht in den Westen und anderes mehr.

 

Video (hw):

Souvenir-Jäger plünderten Stasi-Räume

Vieles – wie etwa das Böhm-Zimmer – wirkt zwar noch kahl, weil Wende-Erstürmer und andere Schnäppchenjäger 1989/90 allerlei Stasi-Trophäen mitgehen ließen. Wagner ist aber optimistisch, dass sich die Räume füllen werden. Ein paar Stasi-„Souvenire“ – darunter historische Fotos und Medaillen – wurden von Dresdnern bereits zurückgegeben. Morgen reist eigens Bundes-Stasiaktenbeauftragter Roland Jahn nach Dresden, um die Gedenkstätte einzuweihen. Autor: Heiko Weckbrodt

 

* „Wolfspelz“ war eine anarchistische Dresdner Oppositionsgruppe zu DDR-Zeiten, die in den 1980ern unter dem Schutz der Kirche u. a. die Demos gegen das Reinstsiliziumwerk Gittersee mitorganisierten.
 

Aus dem Festprogramm:

Eröffnungsfeier am 9. Mai, ab 16 Uhr, Bautzner Str. 112a, mit OB Helma Orosz (CDU) und dem Bundesbeauftragten Roland Jahn. Ab ca. 17 Uhr Podiumsdiskussion mit Jan sowie Politologie-Professor Werner Patzelt und Silicon-Saxony-Vertreter Jens Drews über Datensammelwut gestern und heute. Ab 18 Uhr: geführte Rundgänge für die Öffentlichkeit durch die Gedenkstätte.

Festwoche:

10.-16. Mai, jeweils 10-18 Uhr: kostenloser Eintritt, bis jew. 17 Führungen

13. Mai, 17 Uhr: Eröffnung der neuen Ausstellung über politische Häftlinge in Sachsen, die durch Dresdner Schüler gestaltet wurde – mit Theater-Performance. Ab 19 Uhr: Konzert und Diskussion mit den Bürgerrechtlern Freya Klier und Stephan Krawczyk.

Weitere Infos hier im Netz, Anmeldungen für Führungen: Telefon 0351-6465454

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar