News, Wirtschaft
Schreibe einen Kommentar

Solarwatt rechnet mit „2. Photovoltaik-Boom“ in Deutschland

Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus erwartet einen zweiten Solarboom in Deutschland - der werde allerdings vom Markt und nicht von Einspeise-Vergütungen getrieben sein. Foto: Heiko Weckbrodt

Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus erwartet einen zweiten Solarboom in Deutschland – der werde allerdings vom Markt und nicht von Einspeise-Vergütungen getrieben sein. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Solarfirma steuert nach Beinahe-Pleite wieder ins Plus

Dresden, 13. September 2014: Der Totengesang auf die einst weltweit führende deutsche Solarindustrie wurde möglicherweise verfrüht gesungen: „In Deutschland ist demnächst ein zweiter Photovoltaik-Boom zu erwarten“, glaubt jedenfalls Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus. Was an Unternehmen nach der tiefen Branchenkrise übrig geblieben sei, tanze jetzt nicht mehr um Fördermillionen und Strafzölle herum wie ums goldene Kalb, sondern habe sich neustrukturiert und setze nun auf Produkte, die auch auf dem freien Markt wettbewerbsfähig seien. „Und damit rechne in Mitteleuropa und insbesondere in Deutschland mit einem wachsenden Markt“, sagt der Chef des einst selbst arg gebeutelten Dresdner Solarmodul-Herstellers. „Das wird sicher nicht explosionsartig stattfinden, aber es wird ein solide wachsender Markt sein.“

Keine Chance gegen Asien mit Modul-Massenware

Seinen Optimismus schöpft Neuhaus aus seinen Erfahrungen mit dem eigenen Unternehmen, das vor zwei Jahren kurz vor dem Aus stand, dann durch den Einstieg von BMW-Milliardär Stefan Quandt gerettet und seitdem konzeptionell von Grund auf umgekrempelt wurde: Weil die Taiwanesen und Chinesen in der Massenfertigung von Solarmodulen und -zellen die Markt- und Preisführerschaft übernommen haben, konzentrieren sich die Dresdner nun auf die Produktion besonders hochwertiger, glas- statt folienverkapselter Sonnenstromsammler (die mittlerweile ein Drittel der Modul-Produktion ausmachen) und auf das Systemgeschäft.

Video: Blick in die Solarwatt-Fabrik in Dresden (Heiko Weckbrodt):

Solar-Carports für BMW: System-Geschäft rückt in Mittelpunkt

Der Solar-Carport von Solarwatt soll ab Herbst die neuen i-Elektroautos von BMW mit Strom betanken. Foto: BMW

Der Solar-Carport von Solarwatt betanken die neuen i-Elektroautos von BMW mit Strom. Foto: BMW

Letzteres steuert inzwischen ein Viertel zum Unternehmens-Umsatz bei. Das Konzept dahinter: Statt nur Module zu veräußern, bietet Solarwatt jetzt Endprodukte an. Zum Beispiel gemeinsam mit BMW komplette „Carports“, die Elektroautos beim Parken „betanken“. Zwar verkaufen die Dresdner gerade mal nur 50 bis 60 solcher solarmodul-überdachten Stellplätze pro Jahr, aber der Imagegewinn durch die Kooperation mit BMW sei erheblich, meint Neuhaus.

Einstieg ins Akku-Geschäft

In Kooperation mit der schwäbischen Firma „Sonnenbatterie“ steigt das Unternehmen zudem nun in das Marktsegment der Energiespeicher ein: Auf Basis von Lithium-Ionen-Akkus werden Speicherlösungen für solargespeiste Haushalte entwickelt.

Im Fokus steht das vernetztes Solar-Eigenheim

Dass sich Solarwatt ausgerechnet im Speichersegment engagiert, hat seine Gründe: Die Dresdner bauen derzeit vor allem das – über einen selbst programmierten „Energiemanager – vernetzte Eigenheim zum zentralen Produkt. Das soll mit Modulen „Made in Germany“ Solarstrom sammeln, um diese Energie dann möglichst effizient zwischen Wärmepumpen, Elektro-Verbrauchern, Akkus und öffentlichem Netz hin und her zu jonglieren. Damit könne der Eigenheim-Besitzer zwischen 30 und 80 Prozent seines Stromverbrauchs selbst decken und viel Geld sparen, wirbt Neuhaus enthusiastisch. Die App „Energiemanager“, die Solarwatt für die Fernsteuerung all dieser Verbraucher und Stromlieferanten entwickelt habe, sei jetzt sogar für den sächsischen Designpreis nominiert worden. „Diese App ist so intuitiv aufgebaut, dass jetzt jeder mit Energiemanagement intuitiv klarkommt“, meint der Solarchef.

Harter Aderlass: Nur noch ein Viertel der Belegschaft an Bord

Produktionsmitarbeiter Michael Kirchner bei der Sichtprüfung von PV-Zellen in der Solarwatt-Fabrik in Dresden. Die Solar-Zellen und -Module durchlaufen daneben auch hochautomatisiert mehrere Qualitäts-Tests, um sie später als Highend-Ware verkaufen zu können. Foto: Heiko Weckbrodt

Produktionsmitarbeiter Michael Kirchner bei der Sichtprüfung von PV-Zellen in der Solarwatt-Fabrik in Dresden. Die Solar-Zellen und -Module durchlaufen daneben auch hochautomatisiert mehrere Qualitäts-Tests, um sie später als Highend-Ware verkaufen zu können. Foto: Heiko Weckbrodt

Verbunden war die Umstrukturierung, diese Konzentration auf neue Geschäftsfelder, allerdings mit einem harten Adlerlass: Beschäftigte „Solarwatt“ in seinen besten Zeiten über 600 feste und Leih-Arbeiter, sind drei Viertel dieser Jobs in Dresden flöten gegangen: Mittlerweile hat Solarwatt rund 160 Mitarbeiter fest angestellt, dazu kommen bis zu 40 Leiharbeiter und 30 weitere Kollegen außerhalb Dresdens, die Solarwatt kürzlich mit der Vertriebsabteilung der insolventen Firma „Centrosolar“ übernommen hatte.

BMW-Quandt schießt Kapital für Investitionen und Entwicklung nach

Zudem sind immer noch ständige Kapitalzuschüsse von Quandt & Co. nötig, damit das Unternehmen überhaupt investieren und Forschungsprojekte weiterführen kann. Auf jeden Fall engagiere sich der neue Anteilseigner sehr weitsichtig in die neuen Technologien. „Herr Quandt mischt sich nicht ins Tagesgeschäft ein, aber diskutiert mit uns natürlich immer wieder die Strategie des Unternehmens“, betont Neuhaus. Die Rückkehr in die Gewinnzone, die Neuhaus eigentlich bereits für 2013 avisiert hatte, ist indes fehlgeschlagen.

Operatives Geschäft nun ins Plus gedreht

Aber die Gesundungs-Effekte sind unübersehbar: Die Modulfabrik in Dresden ist wieder einigermaßen ausgelastet und zumindest der laufende Geschäftsbetrieb trägt sich selbst: „Ende 2014 werden wird zwar noch einen Jahresverlust ausweisen, aber seit dem letzten Quartal sind wir wieder ein Plus“, berichtet der Geschäftsführer.

Umsatz steigt wieder, für 2015 Gewinne erwartet

Auch steigen die Umsätze nun wieder: Waren die zwischen 2010 und 2013 von 324 Millionen auf knapp 50 Millionen Euro abgesackt, rechnet Solarwatt in diesem Jahr mit etwa 70 Millionen Euro. Im kommenden Jahr sollen es über 100 Millionen Euro sein – dann werden allerdings auch schon die 25 Millionen Euro Jahresumsatz des übernommenen „Centrosolar“-Vertriebs in Westeuropa eingerechnet sein. Und: 2015 werde ein Gewinn unter der Jahresabrechnung stehen, prognostizierte Neuhaus. Das bleibt angesichts der harten Konkurrenz und der ständigen – auch politisch getriebenen – Bewegungen im Solarmarkt freilich abzuwarten: Eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen hatte Neuhaus für 2013 schon einmal angesagt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

EU verhängt Strafzölle gegen Solartechnik aus China

Solarwatt in der Krise

Solarwatt entwickelt BMW-Carports

Leybold Optics Dresden wird spätes Opfer der Solarkrise

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar