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Per Kälteschlaf ab in die Zukunft: Kryoniker treffen sich in Dresden

Chirurgen der "Alcor Life Extension Foundation" bereiten einen Patienten für die Biostase vor. Die Technik ist umstritten. Foto: Alcor

Chirurgen der „Alcor Life Extension Foundation“ bereiten einen Patienten für die Biostase vor. Die Technik ist umstritten. Foto: Alcor

Biostase-Anhänger wollen Sci-Fi-„Technologie“ schon heute für unheilbar Kranke einsetzen

Dresden, 3. Oktober 2014: Heute leg ich mich in den Kälte-Langzeitschlaf und wenn ich wieder aufwache, bin ich auf Alpha Centauri oder in einer fernen Erden-Zukunft angelangt, in der die Menschen keine Haare mehr haben und in scharfen Schwebe-Autos herumflitzen – oder so ähnlich. Für den Kälteschläfer ist ein Wimpernschlag vergangen, für den Rest des Universums zehn, 100 oder gar 1000 Jahre. Was sich in Science-Fiction-Büchern ziemlich chic liest und dort auch immer klappt, will leider in der realen Welt noch nicht so recht klappen. Die Probleme dieser Sci-Fi-Technologie sind aber lösbar, sind viele Menschen rund um den Erdball und haben sich zu Organisationen wie der „Deutschen Gesellschaft für Angewandte Biostase“ (DGAB) zusammengeschlossen. Die tagt morgen und übermorgen in Dresden und will im Dorint-Hotel erörtern, wie weit das „kryonische“ Katapult in die Zukunft denn schon gediehen ist.

Kryobiologen sehen Akzeptanzprobleme

Logo: DGAB

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Zum Symposium „Applied Cryobiology“ (4. und 5. Oktober 2014, jeweils ab 9 Uhr, Dorint-Hotel Dresden) werden Kälteschlaf-Verfechter aus den USA, aus England, Deutschland und Russland erwartet, der über ihre Fortschritte berichten wollen. Auch möchten die Teilnehmer in Dresden über ihre Akzeptanzprobleme in Wissenschaftskreisen und in der Gesellschaft diskutieren.

Kryoniker „verglasen“ ihre Patienten

Die Lehre dahinter nennt sich „Kryonik“, leitet sich vom altgriechischen „kryos“ = Eis ab und verspricht ihren Jüngern, sie in eine bessere Menschheits-Ära hineinschlafen zu lassen. Natürlich ist auch den Kryonikern klar, dass bloßes Einfrieren nicht reicht, da jede Kristallisation von Blut und anderen Flüssigkeiten im menschlichen Körper zu unumkehrbaren Schäden an Organen und anderem Gewebe führt. Daher haben sich insbesondere Institute in den USA – gegen Entgelt, versteht sich – darauf spezialisiert, bei willigen Patienten alle Körperflüssigkeiten durch eine Lösung auszutauschen, die bei sehr tiefen Temperaturen unter 100 Gad Celsius nicht kristallisiert. Der Körper werde dadurch gewissermaßen „verglast“ statt kristallisiert, was den Prozess prinzipiell umkehrbar mache, argumentieren die Anbieter.

Werbevideo des US-Anbieters Alcor:

200 Menschen derzeit im Kälteschlaf

Diese Idee zieht viele unheilbar Erkrankte nahezu magisch in der Hoffnung an, sich „verglasen“ zu lassen und in einer Zukunft wieder aufzuwachen, in der Krebs und andere Leiden heilbar sind. Laut DGAB befinden sich derzeit insgesamt 200 Menschen in „Kryostase“: Jeweils 100 bei der „Alcor Life Extension Foundation“ in Arizona und im „Cryonics Institute“ in Michigan (USA). Viele davon haben nur ihr Gehirn konservieren lassen und sich von ihrem Körper gleich ganz verabschiedet – in der eher vagen Hoffnung, in der fernen Zukunft aufzuwachen und dann einen feinen neuen Körper verpasst zu bekommen. Gegen Stromausfälle haben sich die Kryonik-Institute nach eigenen Angaben abgesichert, indem sie ihre Patienten (oder deren Gehirne) in flüssigem Stickstoff eingelegt haben.

Kritiker sehen Kyronik als reine Geldschneiderei

Doch man ahnt es schon: Diese „Kryonik“ ist – vorsichtig gesagt – umstritten, trotz aller Beteuerungen ihrer Anhänger, wissenschaftlich an die Dinge heranzugehen. Bisher nämlich ist es noch nie gelungen, einen Menschen vollständig und für längere Zeit einzufrieren oder zu „verglasen“ und danach ins Leben zurückzuholen, zählt man mal Sci-Fi-Filme nicht mit. Daher wird Kryonik-Instituten auch oft nachgesagt, ihre Zukunftsversprechen seien reine Geldschneiderei und nährten falsche Hoffnungen bei unheilbar Kranken.

Schnellgefrierung für einzelne Zellen tatsächlich möglich

Während das Konzept „Per Kälteschlaf in die Zukunft“ also doch vorerst eher eine Utopie bleibt, wird Kältetechnik durchaus auch heute schon auch von besonnenen Medizinern als Konservierungs- und Heilmittel verwendet – nur eben nicht als Zeitmaschine für Menschen, für die alle Körpertemperaturen unter – 28 Celsius meist tödlich enden. „Einzelne Zellen lassen sich durchaus einfrieren“, betont Prof. Ullrich Hesse vom Dresdner TU-Institut für Kälte-, Kryo- und Kompressorentechnik. „Dabei ist es aber wichtig, die Temperaturen sehr schnell zu senken, um einer Kristallbildung zu vermeiden.“ Kältetechnik werde zum Beispiel eingesetzt, um Blutkonserven tiefzufrieren. Aber schon bei ganzen Organen sei es mit heutiger Technik kaum vorstellbar, sie schnell genug auf Temperaturen um die – 130 Grad zu bringen, ohne dass Kristallprozesse in dem komplexen Gewebeverbund eintreten.

Rheuma-Patienten „kälte-saunieren“ bei – 100 Grad

Eingesetzt wird Kältetechnik aber auch bei der Behandlung von Rheumatikern. Diese Patienten verbringen in von Medizinern überwachten Kältekammern eine kurze Zeit bei Temperaturen um die – 100 Grad Celsius. Dabei sind sie nur leicht bekleidet, etwa mit Ohrenschützern, damit nichts abfriert. Bei manchen Rheuma-Patienten helfen solche „Sauna-Gänge in Kalt“, Schmerzen zu lindern und Mobilität zurückzugewinnen. Autor: Heiko Weckbrodt

 

Science Fiction: Doctor Who trägt die schwerverletzte Amy in eine Kammer, in der sie 2000 Jahre lang im Kälteschlaf  regeneriert. Foto: BBC

Science Fiction: Doctor Who trägt die schwerverletzte Amy in eine Kammer, in der sie 2000 Jahre lang im Kälteschlaf regeneriert. Foto: BBC

Beispiele für Kälteschlaf in der Science Fiction:

  • In „Level“ von Hugh Howey gehen Überlebende eines Nanowaffen-Krieges in den Kälteschlaf, um ihr Leben so lange zu verlängern, bis die Erde wieder bewohnbar ist.
  • In den Zukunfts-Romanen des polnischen Schriftstellers Stanislaw Lem wird Kälteschlaf mehrfach eingesetzt, um die jahrzehntelangen Reisen von Astronauten zu fernen Sternensystemen zu überbrücken
  • In der US-Trickfilm-Serie „Futurama“ wird der Pizzabote Philip Fry versehentlich für 1000 Jahre eingefroren und landet dadurch in der Zukunft.
  • In der englischen Sci-Fi-Serie „Doctor Who“ bewacht Rory, „der letzte Centurio“, 2000 Jahre lang seine Geliebte Amy, die in einer Art Kältestase wieder in unsere Gegenwart zurückzugelangen versucht, weil die Tardis nicht verfügbar ist.
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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