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Mehr CO2 für besseres Klima

An der TU Dresden mitentwickelt: Wasserstoff-Tank für BMWs. Foto: Heiko Weckbrodt

An der TU Dresden mitentwickelt: Wasserstoff-Tank für BMWs. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner TU-Eisschränke holen sich ihr Kühlmittel aus der Luft

Dresden, 13. Oktober 2014: Es klingt absurd, aber: Ausgerechnet mehr Kohlendioxid (CO2) könnte den Industrienationen helfen, das globale CO2-Klimaproblem in den Griff zu bekommen. Denn viele Kühlaggregate, die heute in Privathaushalten, Fabriken, Auto-Klimaanlagen oder Supermärkten vor sich hin brummeln, arbeiten mit halogenen Kohlenwasserstoffen als Kühlmittel, das mehr als 1000-fach so starke Treibhauseffekte erzeugt wie simples CO2. Könnte man dieses Zeug durch das natürliche Gas CO2 ersetzen, würde dies nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch enorm viel Energie sparen, ist Prof. Ullrich Hesse überzeugt, der den Bitzer-Lehrstuhl für Kälte-, Kryo- und Kompressorentechnik der TU Dresden leitet.

Sein Team hat nun mit Industriepartnern aus Kesselsdorf solche CO2-Kühltechnik entwickelt. Diese Hightech-Anlage, die sich ihr Kühlmittel aus der Luft holt, wird inzwischen in einem Modell-Supermarkt in Basel erprobt – und hat dazu geführt, dass der Markt elf Prozent weniger Energie verbraucht.

Video: Kältetechnik-Forschung an der TU Dresden (hw):

Flüssig-Wasserstofftanks für BMW, Riesenkompresoren für Erdgas-Industrie

Kältetechnik-Professor Ullrich Hesse von der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Kältetechnik-Professor Ullrich Hesse von der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Die besondere Expertise der Dresdner ist indes auch in vielen anderen Branchen, die man als Laie gar nicht mit Kühltechnik assoziiert, stark gefragt: BMW beispielsweise zog die TU-Spezialisten heran, um einen Tank für Autos zu entwickeln, die mit flüssigem Wasserstoff angetrieben werden. Mit einem anderen Automobil-Unternehmen arbeiten Hesse und seine Kollegen zusammen, um das Hitze-Problem von Lithium-Ionen-Akkus in Elektroautos in den Griff zu bekommen. Auch kooperieren die Dresdner mit Airbus (Flugzeug-Klimaanlagen) und mit Maschinenbauern, die Großkompressoren für Erdgas-Pipelines, Kunststoff-Werke und PET-Flaschen-Fabriken bauen. „Da sprechen wir über riesige Maschinen, die bis zu 800 Tonnen schwer sind und 42 Megawatt Leistung haben“, sagt Hesse.

Die zentrale Helium-Verflüssigungs-Anlage der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Die zentrale Helium-Verflüssigungs-Anlage der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Kyro-Experten jagen Helium hinterher

Eine spezielle „Kryo“-Abteilung am Lehrstuhl jagt zudem einem Element nach, dass im Weltall sehr häufig, auf Erden hingegen sehr selten vorkommt: Helium. In flüssiger Form dient es zum Beispiel dazu, Supraleit-Magneten bis nahe an den absoluten Temperatur-Nullpunkt herunterzukühlen, damit die plötzlich anfangen, Strom widerstandslos zu leiten.

Gebraucht wird Helium zum Beispiel für Kernspin-Tomografen, die in immer mehr Krankenhäuser und Ärztehäuser stehen. Weil die aber das wertvolle Helium meist hinterher achtlos in die Luft verpuffen, steigt und steigt die Nachfrage für dieses – meist aus Erdgas gewonnene – Gas weltweit rasant. Die TU-Kryoexperten haben deshalb eine zentrale Helium-Verflüssigungsanlage für die Uni konstruiert und arbeiten an effektiven Rückgewinnungs- und Lagermethoden für das begehrte Kühlmittel.

Letzter Kältetechnik-Lehrstuhl in Deutschland – Industrie lief gegen Aus in Dresden Sturm

Weil viele dieser Projekte hochinteressant für die Wirtschaft sind, bekommt die Professur jährlich Millionenzuschüsse von der Industrie für seine Forschungen. Und die gelten als deutschlandweit führend: „Wir sind in der Bundesrepublik der letzte universitäre Lehrstuhl, der Kältetechnik noch in ihrer vollen Breite abdeckt“, sagt Hesse. Als die Uni vor einigen Jahren erwog, den Lehrstuhl abzuwickeln und die über 100-jährige Tradition der Kühlanlagen-Forschung in Dresden zu beenden, lief die Industrie Sturm. Letztlich richtete der Sindelfinger Kompressoren-Hersteller „Bitzer“ eine Stiftungsprofessur ein, um die Dresdner Expertise zu retten.

TU-Forscher mit Innovationstag in Nürnberg

An solchen Schemata lernen die TU-Studenten Kältetechnik-Prinzipien. Foto: Heiko Weckbrodt

An solchen Schemata lernen die TU-Studenten Kältetechnik-Prinzipien. Foto: Heiko Weckbrodt

Auf einem „Innovationstag Kältetechnik“, den die TU-Transfertochter „GWT“ mitorganisiert hat, stellen die Dresdner Kühltechnik-Wissenschaftler heute in Nürnberg ihre Projekte vor über 100 deutschen und internationalen Forschern sowie potenziellen neuen Industriepartnern vor. Die Resonanz sei gut, im kommenden Jahr wolle man den Innovationstag aber wieder in Dresden abhalten, kündigte Jens Voigt von der GWT an. Ein Schwerpunkt-Thema beim diesjährigen Innvationstag ist übrigens die deutsche Energiewende. Denn Hesse ist sicher: Klassisch und ausgereizt erscheint Kühltechnik nur dem Laien – tatsächlich hat sie das Zeug, um allein in Deutschland Strom in Größenordnungen mehrerer Kraftwerke zu sparen. Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Eigenheime vernetzen sich zu virtuellen Groß-Kraftwerken

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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