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Da knisterte Revolution in der Luft

Am Nachmittag des 5. dezember 1989 trudelten nach und nach immer mehr Demonstranten vor der Stasi-Bezirkszentrale in Dresden ein, um eine vermutete Aktenvernichtung zu stoppen. Foto: Stephan Reichel

Am Nachmittag des 5. dezember 1989 trudelten nach und nach immer mehr Demonstranten vor der Stasi-Bezirkszentrale in Dresden ein, um eine vermutete Aktenvernichtung zu stoppen. Foto: Stephan Reichel

Vor 25 Jahren besetzen Dresdner die Stasi-Bezirkszentrale

Dresden, 4. Dezember 2014: Morgen ist es genau 25 Jahre her, dass die Dresdner die MfS-Bezirksverwaltung an der Bautzner Straße besetzten. Was heute wie ein Ereignis unter vielen in der friedlichen Revolution klingen mag, war tatsächlich aber ein mutiger und wichtiger Etappensieg der Bürger – stellten sie sich doch erstmals in direkter Konfrontation der gefürchteten Stasi. „Das hatte etwas von echter Revolution“, erinnert sich der heute 50-jährige Dresdner Informatiker Stephan Reichel, der seinerzeit dabei war. „Da lag ein Knistern in der Luft.“

Warten statt stürmen

Es dauerte Stunden bis in den späten Abend hinein, bis die Stasi schließlich die Tore freiwillig öffnete. Foto: Stephan Reichel

Es dauerte Stunden bis in den späten Abend hinein, bis die Stasi schließlich die Tore freiwillig öffnete. Foto: Stephan Reichel

Reichel war damals halb so alt wie jetzt, ein junger Maschinenbau-Student, der am 5. Dezember 1989 eine halbe Stunde Rechenzeit an der TU Dresden bekommen hatte, um mit seiner Diplomarbeit über einen Maschinensteuerung voranzukommen – im Prä-Digitalzeitalter eine wertvolle Zusage. In der Straßenbahn hörte er im Kofferradio den Aufruf, sich am Albertplatz zu sammeln, um hoch zur Stasi zu marschieren, um dort die Akten-Vernichtung zu stoppen. Er ließ seine kostbare Computer-Zeit sausen und schloss sich an. „Ein echter Sturm auf die Stasi war es dann ja eher nicht“, erinnert er sich. „Wir haben stundenlang da in der Kälte gestanden, gerufen, Losungen gemalt, bis die uns am späten Abend eingelassen haben.“

Stasi-General Böhm resginierte

Die Demonstranten wühlten sich durch die Stasi-Akten. Foto: Stephan Reichel

Die Demonstranten wühlten sich durch die Stasi-Akten. Foto: Stephan Reichel

Letztlich erwies sich das gefürchtete Monstrum als zermürbter als gedacht: Stasi-General Horst Böhm öffnete die Tore den Demonstranten, übergab nach einigem Zögern seine Pistole – und ließ resignierend den Dingen ihren Lauf…

KGB-Mann Putin blieb eisern

Unduldsamer war indes ein Mann, der heute Weltgeschichte mitschreibt und damals KGB-Mitarbeiter in Dresden war: Wladimir Putin. Als nämlich die Demonstranten von der Stasi-Bezirksverwaltung gleich weiter zur Eroberung der nahe sowjetischen Geheimdienst-Residentur ziehen wollten, stießen sie auf bewaffnete Gegenwehr. „Ich war selbst nicht dabei, aber mir wurde erzählt, dass Putin die Leute mit zwei Wachposten empfing, die ihre Kalaschnikows durchgeladen hatten“, erzählt Reichel. Putin ließ die Demonstranten – anders als Böhm – jedenfalls nicht herein.

Gedenkfest zum Jubiläum

Heute betreibt der Verein „Gedenken durch Erinnerung“ in der ehemaligen Stasi-Bezirkszentrale an der Bautzner Straße 112 a eine Gedenkstätte. Er lädt am 5. Dezember die Dresdner zu einem ganzen Tag mit Führungen, Vorträgen, Diskussionen und Kunstprojekten ein, um an das 25. Jubiläum der Stasi-Besetzung zu erinnern.

Ab 10 Uhr können die Besucher das eben erst neugestaltete Museum besichtigen, sich durch das Stasi-Hafthaus, den sowjetischen Geheimdienst-Kerker („Fuchsbau“) und den restaurierten MfS-Festsaal besichtigen und Anträge auf Einsicht in ihre Stasi-Akte stellen. 14.30 und 17 Uhr werden Schüler eine Stasi-Perfomance „Hinter Tausend Stäben eine Welt“ aufführen. 18 Uhr beleuchtet der Historiker Dr. Thomas Widera vom Hannah-Arendt-Institut Dresden in einem Vortrag „Die Stasi in Dresden und ihr Leiter Horst Böhm“. Und 19 Uhr folgt eine Podiumsdiskussion, in der die Revolutionen in der DDR und in Tunesien verglichen werden. Der Eintritt ist kostenlos. Autor: Heiko Weckbrodt

-> Mehr Infos zum Programm am 5. Dezember 2014  gibt es hier im Netz

 

Zum Weiterlesen:

Stasi-General Böhm: Parteisoldat durch und durch

Terror-Feliks und ein Fluchtflugzeug

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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