Nur 15,7 Prozent Frauenanteil im MfS – neue Ausstellung in Dresden
Dresden/Berlin, 14. Januar 2015: Als Quelle von Geheimnissen waren Sekretärinnen im Westen unter den Schlapphüten um den DDR-Oberspion Markus Wolf einst ein beliebtes Ziel – derweil war es aber innerhalb des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit der Integration und Gleichberechtigung der Frauen nicht allzu weit her.
„Gegen Ende der DDR lag der Frauenanteil im MfS bei nur 15,7 Prozent – und nur ganz wenige Frauen waren in Führungspositionen tätig“, hat der Berliner Historiker Dr. Philipp Springer im Oiger-Gespräch eingeschätzt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Stasiunterlagen-Beauftragten Roland Jahn hat dafür zahlreiche Akten aus dem Stasi-Bestand ausgewertet – heute Abend wird er in Dresden über seine Befunde unter dem Titel „Kampfgefährtin, Mutter, Frau“ referieren.
Militärische Traditionen der Stasi mitverantwortlich
Nur in der für die Archive der Spione zuständigen Hauptabteilung XII sei demnach zeitweise jeder zweite hauptamtliche Mitarbeiter weiblich gewesen, wobei der Frauenanteil ab den 1970er Jahren wieder sank, so Springer. Er führt den geringen – und schließlich sinkenden – Frauenanteil im ostdeutschen Geheimdienst einerseits auf die militärischen Traditionen, in denen sich das MfS sah, zurück. Möglicherweise konnten es sich viele Stasi-Leute einfach nicht vorstellen, unter einer Frau zu dienen.
An berufstätigen Frauen blieben Haushalt und Kindererziehung oft „kleben“
Andererseits spiegele die männliche Dominanz im MfS aber auch ein generelles Problem in der DDR-Frauenpolitik, meint der Historiker: „Rechtlich war die Gleichberechtigung in der DDR gut abgesichert“, argumentiert Philipp Springer. „Aber die Praxis sah oft ganz anders aus.“ So gingen zwar viele Frauen zu DDR-Zeiten arbeiten, errangen dadurch auch finanziell und in ihrem gesellschaftlichen Status Fortschritte. Doch andererseits blieben Haushalt, Familie und Kinderbetreuung doch meist größtenteils an ihnen hängen, so dass sie unter einer stetigen Doppel- oder gar Dreifachbelastung lebten.
Beispiel Dresden: Frau leitete Stasi-Archiv – und verzichtete auf Familie
So leitete beispielsweise in der Stasi-Bezirksverwaltung Dresden jahrelang eine Frau die Archivabteilung, agierte hier auch recht erfolgreich. „Sie war als Sekretärin beim MfS eingestiegen und schaffte es bis zur Abteilungsleiterin“, erzählt Philipp Springer aus seinem Aktenstudium. „Aber sie hat dafür auch weitgehend auf eine Familie verzichtet: Erst kurz, bevor sie in Rente ging, hat sie geheiratet.“
Ficken fürs Vaterland
Oft brachten es Frauen bei der Stasi nur zur „Tippse“, Archivarin oder Krankenschwester. Eine besondere Rolle hatten sie allerdings als „Werkzeug“ für die ostdeutsche Spionage im In- und Ausland. Obwohl das horizontale Gewerbe in der DDR offiziell tabu war, setzten Stasi-Offiziere gerne weibliche „Inoffizielle Mitarbeiterinnen“ (IMs) als Prostituierte und Lockvögel während der „Leipziger Messe“ ein, um belastendes Material gegen Geschäftsleute aus dem Westen in die Hand zu bekommen.
Die Auslandsspionage unter General Markus Wolf wiederum schleuste wiederholt Gigolos aus den eigenen Reihen – auch „Romeos“ genannt – in der BRD ein. Die machten sich dann an einsame Sekretärinnen an westdeutschen Schaltstellen der Macht heran, um ihnen Geheimnisse und Unterlagen zu entlocken. „Ficken fürs Vaterland“ witzelten die Agenten angeblich oft insgeheim über diese Einsätze, berichtete Wolf später – und offenbarte damit auch einen Teil des Frauenbildes im MfS.
Frauen eher als stützendes Beiwerk für die Männer gesehen
Generell war das gesellschaftliche Rollenbild innerhalb des MfS anscheinend noch etwas traditionell-konservativer als in der restlichen ostdeutschen Gesellschaft: Die Männer spionierten, die Frauen „kämpfen an der Seite der Genossen“, wie man Propaganda-Plakaten der Stasi entnehmen kann, die nun in einer Ausstellung „Kämpfen an der Seite der Genossen“ in der Dresdner Gedenkstätte „Bautzner Straße“ sehen kann. Die Exposition wird heute Abend, 18 Uhr, durch Springers Vortrag „Kampfgefährtin,Mutter, Frau“ eröffnet und ist dann bis zum 20. April 2015 in der ehemaligen Stasi-Bezirkszentrale Dresden an der Bautzner Straße 112 a zu sehen.
Autor: Heiko Weckbrodt
- Vortrag „Kampfgefährtin, Mutter, Frau“ von Historiker Dr. Philipp Springer (wiss. Mitarbeiter beim BStU Berlin), 14. Januar 2015, 18 Uhr, „Gedenkstätte Bautzner Straße“, Dresden, Bautzner Straße 112 a, Eintritt: gratis
- danach Eröffnung der Ausstellung „Kämpfen an der Seite der Genossen“, bis 20. April in der Gedenkstätte, täglich 10-18 Uhr. mehr Infos hier
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!