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Wegen Pegida: TU-Mediziner fürchten „Todesstoß für Wissenschaftsstandort Sachsen“

Dekan Prof. Heinz Reichmann (links) hisst gemeinam mit Kollegen der Dresdner Hochschulmedizin ein Banner zur Willkommenskultur auf dem Medizin-Campus Foto: Stephan Wiegand, TUD

Dekan Prof. Heinz Reichmann (links) hisst mit Kollegen der Dresdner Hochschulmedizin ein Banner zur Willkommenskultur auf dem Medizin-Campus Foto: Stephan Wiegand, TUD

„Klima der Angst ist unmenschlich und unzivilisiert“

Dresden, 25. Januar 2015: Die Mediziner der TU Dresden fürchten „ein zwischenmenschliches Desaster“ und einen „Todesstoß für den Wissenschaftsstandort Sachsen“, „wenn Menschen mit ausländischen Wurzeln infolge einer negativen Grundstimmung nicht mehr den Weg nach Sachsen und Dresden einschlagen beziehungsweise wegziehen“. Das geht aus einer heute verbreiteten Stellungnahme von Dekan Prof. Heinz Reichmann und der medizinischen Fakultät der Uni hervor. Dabei werden die islamkritischen Demonstrationen der rechtskonservativen „Pegida“-Bewegung in Dresden zwar nicht expressis verbis genannt, sind aber zweifellos gemeint.

Ausländische Kollegen unterscheiden nicht, wem Fremdenfeindlichkeit gilt

„Jedem muss klar sein, dass damit nicht nur Arbeitsplätze in der Forschung auf lange Sicht verloren gehen – sondern auch die zahllosen Sachsen, die für diese Zukunftsbranchen als Dienstleister ihr Geld als Bäcker, Fleischer, Taxifahrer, Tagesmutter, Fensterputzer und Zeitungsverkäufer verdienen, vor einer unsicheren Zukunft stehen“, heißt es weiter in die Mitteilung der „Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden“. „Denn die ausländischen Kolleginnen und Kollegen können und wollen nicht unterscheiden, ob fremdenfeindliche Äußerungen und Handlungen den Forschern, Ärzten, Krankenpflegern und ihren Familien oder den muslimischen Asylsuchenden gelten. Extremisten und Fundamentalisten will niemand beherbergen. Deshalb aber eine Stimmung zu schaffen, die für unsere ausländischen Mitbürger ein Klima der Sorge und teilweise Angst um das eigene Wohl und das ihrer Lieben verursacht, ist unerträglich, unmenschlich und unzivilisiert.“

73 Nationen in Fakultät vertreten

Demonstrativ hisste Dekan Heinz Reichmann deshalb heute auf dem Fakultäts-Campus ein Willkommens-Banner in mehreren Sprachen für alle Menschen. An der Fakultät sind laut eigenen Angaben knapp 6000 Menschen mit 73 verschiedenen Nationalitäten tätig.

Gegenwind für Dresden auch von Kongress-Ausrichtern

Tatsächlich habe man auch schon in der Praxis Auswirkungen des fremdenfeindlichen Tenors auf Dresdens Straßen zu spüren bekommen, schätzte Fakultätssprecher Konrad Kästner auf Oiger-Anfrage ein. „Professoren, die neue internationale Teams aufbauen oder ihre Teams erweitern wollten, haben bereits jetzt größere Schwierigkeiten als in früheren Jahren, Kollegen aus dem Ausland für Dresden zu gewinnen“, sagte er. Zwar könne man dies natürlich nicht sicher nur auf Pegida zurückführen, aber es sei ganz eindeutig, dass das Ansehen Dresdens als Arbeitsort Schaden genommen habe. Auch sei es sichtlich schwieriger geworden, Veranstalter medizinischer Großkongresse davon zu überzeugen, diese Kongresse in Dresden abzuhalten und hierher internationale Mediziner einzuladen. Bisher hatten solche medizinischen Großtagungen oft mehrere Tausend Gäste in die sächsischen Landeshauptstadt gelockt – mit all den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgeeffekten.

Verheerendes Signal durch Pegidas „Spaziergänge“

Anhänger von „Pegida“ („Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“) hatten in den vergangenen Wochen zwar mehrfach betont, dass sich ihre abendlichen „Spaziergänge“ in der Dresdner Innenstadt nicht gegen Ausländer oder den Islam, sondern gegen Radikale richten würden. Die Außenwirkung war indes eine andere – und ist nicht nur nach Meinung der TU-Mediziner im In- und Ausland verheerend für den Ruf Dresdens. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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