Sozialhilfeausgaben in Kommunen steigen stark
Dresden, 12. Februar 2015: Weil immer mehr arme Rentner und Behinderte auf finanzielle Stütze angewiesen sind, kämpfen die Kommunen in Deutschland mit überdurchschnittlich wachsenden Sozialhilfe-Ausgaben. Während die Einnahmen der Städte und Landkreise zwischen 2006 und 2013 im Schnitt nur um 3,2 Prozent pro Jahr stiegen, wuchsen die Sozialhilfe-Kosten jährlich um 4,3 Prozent. Dabei gibt es allerdings erhebliche regionale Unterschiede, wie die Studie „Immer mehr Bedürftige“ des ifo-Instituts in Dresden ergeben hat.
In Sachsen sind Sozialhilfe-Ausgaben halb so hoch wie in NRW
So geben die Kommunen in Sachsen statistisch gesehen lediglich 185 Euro Sozialhilfe pro Einwohner aus. Damit liegen diese Ausgaben im Freistaat deutschlandweit am niedrigsten –aber auch in den anderen ostdeutschen Ländern haben die Städte noch vergleichsweise niedrige Sozialhilfekosten. Mehr als doppelt soviel, nämlich durchschnittlich 390 Euro pro Einwohner, geben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus, in Stadtstaaten wie Bremen, Hamburg und Berlin sind es sogar um die 500 Euro.
Unterschiede Ost-West teils durch DDR-Erwerbsbiografien erklärbar
Ein Teil dieses Unterschieds dürfte sich aus den unterschiedlichen Erwerbsbiografien in Ost und West erklären lassen: Wer jetzt in den „neuen“ Bundesländern Rente bezieht, hat große Teile seines oder ihres Berufsleben in der DDR verbracht, wo Arbeitslosigkeit ein Fremdwort und berufstätige Frauen eine Selbstverständlichkeit waren. Dadurch haben sich viele Ostrentner-Paare nach bundesdeutschem Recht gute Rentenansprüche erarbeitet und sind (noch) seltener als West-Rentner auf Stütze angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Stützeausgaben gleichen sich mittelfristig an
Allerdings verringert sich dieser statistische Effekt mit jedem Nachwendejahr. Daher mag es auch nicht wundern, dass die ifo-Studienautoren Alexander Eck, Xenia Frei und Felix Rösel auch Angleichungstrends ausgemacht haben: In den Stadtstaaten und in den westdeutschen Flächenländern, in denen die Kommunen bereits jetzt hohe Sozialausgaben haben, steigen diese inzwischen weniger schnell als in den ostdeutschen Ländern. „Sollte dieser Trend anhalten, könnten die Sozialhilfeausgaben je Einwohner in den ostdeutschen Flächenländern mittelfristig das Niveau der westdeutschen Flächenländer erreichen“, warnten die Wirtschaftsforscher.
Kostenanstieg vor allem durch steigende Zahl armer Rentner und Behinderter
Sozialhilfe alias „Grundsicherung“ beziehen seit den Hartz-Reformen nur noch arme Rentner, Behinderte, Pflegebedürftige und Menschen, die sich aus anderen zwingenden Gründen ihren Lebensunterhalt nicht selbst erarbeiten können – nicht aber erwerbsfähige Langzeitarbeitslose wie noch vor dem Jahr 2005. Vor allem die Stütze für eine wachsende Zahl armer Rentner und Behinderter ist zu wesentlichen Teilen für die stark steigenden Sozialhilfe-Ausgaben verantwortlich: „Über den gesamten Beobachtungszeitraum wären die Sozialhilfeausgaben ohne die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und die Grundsicherung im Alter lediglich um 0,6 % im Jahresdurchschnitt gewachsen“, heißt es in der Untersuchung.
Ifo-Dresden-Vize Ragnitz: Hartz-Reformen waren unterm Strich erfolgreich
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose, die früher in vielen westdeutschen Großstädten noch ein Massenphänomen war, ist seit den Hartz-Reformen so gut wie verschwunden. Diese stützeabhängigen Menschen sind natürlich nicht ebenfalls verschwunden, sondern viele von ihnen sind nun von Hartz-IV-Stütze abhängig. Viele – aber eben nicht alle: „Alles in allem führt eine unvoreingenommene Bewertung der Hartz-Reformen nach zehn Jahren zu dem Ergebnis, dass die damaligen Arbeitsmarktreformen nicht nur notwendig, sondern auch erfolgreich waren“, schätzte Prof. Joachim Ragnitz, der Vize-Chef der ifo-Niederlassung Dresden, in einem Kommentar zu „Zehn Jahren Hartz-Reformen in Deutschland“ ein. „Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Arbeitslosenquote seither deutlich zurückgegangen, und viele frühere Langzeitarbeitslose haben wieder eine Beschäftigung aufnehmen können.“
Eine Million Deutsche stecken dauerhaft in Langzeitarbeitslosigkeit fest
Nicht zu verkennen sei allerdings, „dass es weiterhin eine knappe Million Langzeitarbeitslose unter den Empfängern von Arbeitslosengeld II gibt, die nicht vermittlungsfähig scheinen und selbst bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung im fortgesetzten Leistungsbezug verharren“.
Autor Heiko Weckbrodt
Zum Weiterlesen:
Arbeitsagentur und Jobcenter ziehen durchwachsene Hartz-Bilanz
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