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„Doppelagent im Kalten Krieg“: Welch fatale Selbstüberschätzung

Am Ende flog Doppelagent Felten auf, er landete im Spezialtrakt des Bautzner Knasts - hier die Schleusentür zum Isolationstrakt von Bautzen II. Foto: Gedenkstätte Bautzen

Am Ende flog Doppelagent Felten auf, er landete im Spezialtrakt des Bautzner Knasts – hier die Schleusentür zum Isolationstrakt von Bautzen II. Foto: Gedenkstätte Bautzen

Der Westdeutsche Peter Felten arbeitete für zwei Geheimdienste, landete im Knast in Bautzen – und schrieb nun ein Buch darüber

Fünf Jahre lang arbeitete der westdeutsche Journalist Peter Felten als Doppelagent für den bundesdeutschen Verfassungsschutz und den Geheimdienst des ostdeutschen Militärs. 1979 wurde er durch Spione des DDR-Auslandsgeheimdienstes enttarnt, in Ostberlin verhaftet und zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt – kam allerdings nach anderthalb Jahren im Zuge eines Agentenaustauschs aus dem Knast in Bautzen wieder frei. Über 30 Jahre danach hat er seine Erlebnisse als Spion und Gefangener in einem Buch „Doppelagent im Kalten Krieg“ niedergeschrieben.

Verfassungsschutz witterte fette Chance

Und das liefert zwar keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse über den geheimen Agentenkrieg zwischen Ost und West, ist aber doch ein interessantes Stück Zeitgeschichte. So schildert Felten, wie er 1974 aus Abenteuerlust und journalistischer Neugier, teils auch aus materiellen Motiven auf ein fingiertes Angebot aus der DDR einging, Presseberichte aus dem Westen auf Honorarbasis zu liefern. Schon bald war ihm klar, dass hinter der angeblichen AG Wirtschaftsjournalistik, die ihn da zur Mitarbeit bewegen wollte, ein ostdeutscher Geheimdienst stecken musste. Daraufhin ging der Pressefotograf directement zum Bundesamt für Verfassungsschutz, das natürlich gleich die fette Chance witterte, endlich mehr über die bis dato nahezu unbekannte „Verwaltung Aufklärung“ der „Nationalen Volksarmee“ (NVA) zu erfahren.

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Stasi und NVA-Geheimdienst konkurrierten

Denn ähnlich wie es in der Sowjetunion mit dem KGB und der GRU zwei – oft konkurrierende – Geheimdienste gab, war in der DDR neben der Stasi-Krake auch ein eigener Geheimdienst der NVA gewachsen, der freilich von der Stasi bald unterwandert und selbst überwacht wurde. Die NVA-Aufklärer erhofften sich von Felten brisante Informationen über die Bundeswehr, an die dieser als Journalist eher herankommen konnte als andere Bundesbürger. Naiv wie er war und animiert durch die staatsbürgerlichen Appelle der westdeutschen Verfassungsschützer ließ sich Felten auf ein gefährliches Doppelspiel ein, verpflichtete sich als Agent der NVA, lieferte den Ostdeutschen aber nur wenig wertvolle Unterlagen, die mit dem Verfassungsschutz abgestimmt waren.

MAD-Maulwurf verriet den Doppelagenten ans MfS

Was Felten nicht wusste: Die „Hauptverwaltung Aufklärung“ der Stasi unter Markus Wolf hatte den Verfassungsschutz massiv infiltriert. Höchstwahrscheinlich geriet ein Maulwurf im bundesdeutschen „Militärischen Abschirmdienst“ (MAD) dem Doppelagenten letztlich zum Verhängnis. 1979 verhaftete die Stasi Felten beim Grenzübertritt an der Agentenschleuse am S-Bahnhof Friedrichstraße in Ostberlin. Die Agenten konfrontierten ihn mit bemerkenswert genauen Kenntnissen von Treffen Feltens mit dessen Führungsoffizier beim Verfassungsschutz. Letztlich gestand der wenig geschulte und von seinem Auftraggeber über die Risiken des Doppelagenten-Daseins kaum aufgeklärte Journalist, Er wurde von einem ostdeutschen Militärgericht wegen Spionage zu zwölf Jahren im Spezialgefängnis Bautzen II verurteilt.

Feilschen um Obst und Zigaretten im Knast Bautzen

Dort saß Felten zwar „nur“ rund eineinhalb Jahre in einem geschlossenen Trakt für westdeutsche Spione ab, bis er ausgetauscht wurde und in den Westen zurückkehren konnte. Aber gerade seine westdeutsche Sicht auf das geheime Militärjustiz-System in der DDR und den Gefängnisalltag in „Bautzen II“ sind besonders interessante Kapitel in seinem Buch: Die mühsamen Verhandlungen mit der Knastleitung um jede kleine Hafterleichterung, die Tausch- und Aushandelwirtschaft im Gefängnis um jede Schachtel Zigaretten, um jedes Glas Obst, die abgekarterte Arbeitsnormen, die streng regulierte Hofgänge… – und dabei muss man wohl davon ausgehen, dass die westdeutschen Häftlinge im Bautzner Knast noch eine Vorzugsbehandlung gegenüber anderen Häftlingen genossen.

Abb.: Helios-Verlag

Abb.: Helios-Verlag

„Es war das Risiko nicht wert“

So richtig bewusst, auf welches gefährliche Profispiel er sich da als Laie 1974 eingelassen hatte, wurde Felten aber eben erst im Nachhinein: „Es war das Risiko nicht wert“, schätzt er im Rückblick ein. In „purem Leichtsinn“ habe er gehandelt, resümiert er. „Welch fatale Selbstüberschätzung.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Peter Felten: „Doppelagent im Kalten Krieg“, Autobiografie, Helios-Verlag, Aachen 2014, 22 Euro, 247 Seiten, ISBN 978-3869331171

 

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt