Dresden-Lokales, Wirtschaft

Kaffee-Renaissance in Sachsen

Kaffanero-Chef Jens Kinzer (l.) und Röster Ralf Salomo (r.) kredenzen den Kaffee auch zum Aufbrühen auf dem Tisch. Foto. Heiko Weckbrodt

Kaffanero-Chef Jens Kinzer (l.) und Röster Ralf Salomo (r.) kredenzen den Kaffee zum Aufbrühen auf dem Tisch. Foto. Heiko Weckbrodt

Jüngstes Beispiel: Rösterei „Kaffanero“ öffnet in Dresden Manufaktur-Café

Dresden, 27. März 2015: Seien wir doch ehrlich: Jahrzehntelang wurden die „Kaffeesachsen“ ihrem Ruf nicht wirklich gerecht. Kaffee gesüffelt hat man im Dreieck Dresden-Leipzig-Chemnitz zwar seither ordentlich, aber noch nicht einmal besonders viel im Deutschlandvergleich. Und vor allem blieb das, was eingeschenkt wurde, meist unter aller Kanone: Zu DDR-Zeiten war die einst so bedeutende Dresdner Rösterei-Szene im VEB-Einheitsmuckefuck aufgegangen und auch nach der politischen Wende wurden (und werden) in vielen „Cafés“ nur üble Industrie-Kaffees ausgeschenkt.

Seit ein paar Jahren wandelt sich glücklicherweise das Bild: Inzwischen gibt es zumindest wieder vier echte Röstereien in der kaffeesächsischen Hauptstadt und deren teils sehr schmackhafte Sorten verdrängen in mehr und mehr Cafés und selbst Kantinen (jüngst erst in der Dresdner SZ-Kantine beobachtet) die Supermarkt-Subqualitäten. Als jüngstes Glied dieser Wiederentdeckung echter Kaffeekultur hat heute offiziell die neue Rösterei „Kaffanero“ am Jagdweg in Dresden ihr Manufaktur-Café eröffnet.

300.000 Euro in Rösterei und Café investiert

Für Insider ist dieser jüngste Geheimtipp allerdings keine ganz neue Geschichte: Eigentlich hat das Team um Ines Richter und Jens Kinzer bereits im Januar inoffiziell damit begonnen, in einem alten Industriebau nahe am Kraftwerk Nossener Brücke eigene Kaffeesorten zu rösten. Wer das wusste, konnte sich dort bereits mit den Eigenkreationen der Kaffaneros eindecken – wenn auch umgeben von sägenden, hämmernden und montierenden Handwerkern.

Inzwischen haben die Gründer rund 300.000 Euro investiert und nun auch einen recht stilvoll eingerichteten Ausschank eröffnet: Die Sitzkissen zum Beispiel sind im Rösterei-Café mit ausgemusterten Kaffeesäcken bezogen, neben den Tischen blitzt Chrom von italienischen Espressomaschinen, eine Weltkarte an der Wand zeigt die Herkunftsregionen der Bohnen an, die hier verarbeitet werden. Der Sohn vom Chef bastelt noch an der großformatigen Karte herum – er versucht sie so zu verdrahten, dass immer gerade das Land leuchtet, aus dem die Sorten kommen, die gerade in der Rösttrommel bräunen.

Ein My Sendungsbewusstsein schwingt mit

Noch haben sich nicht allzu viele Kunden in die etwas ablegene Manufaktur mitten in einem einstigen DDR-Industrieareal verirrt. An Engagement mangelt es den Kaffaneros aber nicht, das merkt man sofort, wenn sie über ihr Lieblingsthema sprechen. „Wir wollen hier den Leuten auch mal vorführen, wie Kaffee eigentlich gemacht wird“, sagt Ines Richter und nickt hinüber zur rötlich schimmernden Röstmaschine. „Viele wissen heute ja nicht einmal, wie Rohkaffee überhaupt aussieht.“

Ein My Sendungsbewusstsein schwingt wohl mit, als ihr Kompagnon Jens Kinzer einhakt: Viele Jugendliche würden ja gar nicht anderes kennen als das, was man in gewissen amerikanischen Ketten als Kaffee verkaufe. Wie fachmännisch gerösterer und zubereiteter Kaffee eben auch schmecken kann, soll der frisch gezimmerte neue Erlebnis-Auschank der Kaffaneros nun demonstrieren.

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Qual der Wahl: Siebträger, French Press, Handhebel oder Aufbrühen?

Handhebel-Expresso-Apparat. Der nötige Druck wird hier erzeugt, indem man den Hebel rasch herunter drückt. Foto: Heiko Weckbrodt

Handhebel-Expresso-Apparat. Der nötige Druck wird hier erzeugt, indem man den Hebel rasch herunter drückt. Foto: Heiko Weckbrodt

Und der ist eben kein Café wie jedes andere, sondern wartet mit einigen Besonderheiten auf: Zum Einen werden die Sorten vor Ort geröstet. Und zwar nicht mit ultraheißen 600-Grad-Industrieöfen, die dazu neigen, kleinere Bohnen schlicht zu verbrennen und bei den anderen Größen das Aroma kaputt zu machen, sondern bei 180 bis 200 Grad in einer klassischen Rösttrommel – in Sachsens größter Röstmaschine übrigens. Zudem hat der Besucher hier selbst die Wahl, wie der Trunk zubereitet wird: mit der italienischen Siebträgermaschine oder mit der „French Press“ (alias Bodum-Pressstempel-Kanne). Sogar ein paar Espresso-Handhebelmaschinen hat die Manufaktur da stehen.

Röster Ralf Salomo begutachtet den frisch gerösteten Kaffee. Foto: Heiko Weckbrodt

Röster Ralf Salomo begutachtet den frisch gerösteten Kaffee. Foto: Heiko Weckbrodt

Retrotrend: Viele Gourmets brühen wieder auf

Und wer es ganz nostalgisch mag, kann sich Kaffee mit heißem Wasser, Kanne und Filterträger sogar am Tisch selbst aufbrühen. Rösterei-Chefin Ines Richter denkt da zwar an erster Linie an die Oma, die sich nach alten Kaffeekränzchen-Zeiten zurück sehnt. Aber gerade jetzt erlebt das klassische Aufbrühen international eine Renaissance – eine nachgewachsene Generation von Hedonisten in den USA, Japan und anderswo bezahlt teilweise exorbitante Preise, um in Aufbrüh-Kaffeezeremonien das (mutmaßlich) Beste aus jeder Bohne herauszubrühen.

Ein Trend übrigens, den auch eine andere Dresdner Rösterei vor geraumer Zeit erkannt hat: Die „Phoenix Coffeeroasters“ an der Bautzner Straße schwören auf diese Zubereitungsart und zelebrieren gelegentlich Kaffee-Brühzeremonien für Fans, bei denen dann mit Thermometer, Stoppuhr und Spezialfilter wie wild hantiert wird.

Equipment für Puristen: Eieruhren für 3, 4 und 5 Minuten Ziehzeit. Foto: Heiko Weckbrodt

Equipment für Puristen: Eieruhren für 3, 4 und 5 Minuten Ziehzeit. Foto: Heiko Weckbrodt

Chrom und Manometer für Espresso-Fans

Viele Kaffeesorten, die jetzt wieder in kleinen Manufakturen in Dresden und Pirna (Rösterei Schmole) geröstet werden, eignen sich allerdings eher für die Espresso-Zubereitung mit dem Vollautomaten oder der Siebträgermaschine. Wirklich empfehlenswerte Modelle sind zwar nicht ganz billig, für einen wahren Espresso-Freund lohnt sich aber die Ausgabe. Gerade Siebträger-Maschinen aus Italien strahlen mit ihrem Chrom und ihren analogen Manometern nicht nur viel Retro-Chic aus, sondern sind inzwischen auch in bezahlbaren Preiskategorien um die 1000 Euro angelangt. Autor: Heiko Weckbrodt

Kaffeeröstereien in Dresden und Umgebung:

 

„Dresdner Kaffee- und Kakaorösterei“, Meschwitzstraße 5, Dresden, verkauft u.a. auch in einem Café in der Markthalle an der Hauptstraße, dort montags bis samstags, 8-19 Uhr, Infos im Netz hier

Kaffanero“ – Rösterei und Café, Jagdweg 1 (der Eingang ist an der Rosenstraße) in Dresden, geöffnet montags bis freitags, 8-18 Uhr, Infos im Netz hier

Phoenix Coffee Roasters“, Bautzner Str. 75, Dresden, geöffnet mittwochs bis samstags, 10-18 Uhr, Infos im Netz hier

Mrs. Brown“, Königsbrücker Str. 96 (in der „Zeitenströmung“), Dresden, Infos im Netz hier

Schmole“, Lange Str. 46, Pirna, montags bis samstags, 9-18.30 Uhr, Infos im Netz hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt