Internet & IoT, Wirtschaft

„Bloß nicht mit plumper Werbung zuspammen“

Das Akademie-Hotel in Dresden setzt WhatsApp inzwischen als Service-Kanal für Gäste ein. Foto: webZunder

Das Akademie-Hotel in Dresden setzt WhatsApp inzwischen als Service-Kanal für Gäste ein. Foto: webZunder

Dresdner Firma „webZunder“ sieht im „WhatsApp“-Einsatz Wettbewerbsvorteil für lokale Wirtschaft

Dresden, 30. März 2015: „Facebook“ mag mit weltweit fast 900 Millionen aktiven Nutzern unter den Kontaktnetzwerken im Internet nahezu übermächtig erscheinen. Doch gerade Jüngere setzen in wachsendem Maße auf den stärker nach außen abgeschirmten Kanal „WhatsApp“ (weltweit rund 600 Millionen Nutzer), um Infos, Stimmungsmeldungen, Bilder oder Videos auszutauschen. Diesen Trend versucht nun auch die Wirtschaft zu nutzen: Per „WhatsApp“ erreichbar zu sein und darüber womöglich auch neue, jüngere Kunden zu gewinnen, gilt als chic. Über die Experimentierphase ist dies aber noch kaum hinausgekommen, wie auch Erfahrungen in Dresden zeigen.

Akademie-Hotel Dresden: WhatsApp gehört im Social-Media-Zeitalter einfach dazu

Das „Akademiehotel“ in Dresden zum Beispiel kann man seit Kurzem auch per WhatsApp mit dem Computertelefon (Smartphone) anpingen, Fragen loswerden, Zimmer-Reservierungen anleiern oder aktuelle Infos beziehen. Abgewickelt wird der Info-Fluss über die Festnetznummer des Hotels. „Wir wollen unseren Gästen dadurch mehr Service bieten und WhatsApp gehört im Social-Media-Zeitalter einfach dazu“, erklärte Verkaufsassistentin Jana Teichmann vom Akademie-Hotel auf Oiger-Anfrage. „Eine WhatsApp-Nachricht abzusetzen, geht ja nun mal schneller, als eine E-Mail zu schreiben.“ Praxiserfahrungen, wie dieses Angebot angenommen werde, habe das Hotel aber noch nicht groß sammeln können, da der neue Dienst gerade erst gestartet worden sei.

Mehrwert für Kunden im Auge behalten

Dirk Spannaus. Foto: webZunder

Dirk Spannaus. Foto: webZunder

Entworfen und installiert hat dieses System die noch junge Dresdner Firma „webZunder“, die sich auf Internet-Marketing vor allem für regionale Unternehmen und den lokalen Handel spezialisiert hat. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2012, inzwischen hat es vier Mitarbeiter. Und auch für „webZunder“-Chef Dirk Spannaus ist das WhatsApp-Projekt noch Neuland. Abzuwarten bleibe, ob und wie die „Generation Smartphone“ darauf reagiere. „Was man als Unternehmen sicher auf keinen Fall machen darf, das ist, WhatsApp dafür einzusetzen, um die Leute mit plumper Werbung vollzuspammen“, ist er überzeugt.

Vielmehr dürfe man diesen Kanal nur mit Bedacht einsetzen, dem Nachrichten-Empfänger einen echten Mehrwert bieten. „Ich sehe da den persönlichen Weg als den besten“, sagte Spannaus. „Wenn zu Beispiel ein Hotel Preisnachlässe plant und darüber die Kunden über WhatsApp informiert, oder der Obsthändler um die Ecke eine Nachricht schreibt, was am in aller Frühe im Großmarkt geholt hat, ist das für den Empfänger eine nützliche Information. Auf diese Weise kann sich auch der kleine lokale Händler oder Dienstleister einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den großen Unternehmen erarbeiten.“

Für Konzerne bleibt WhatsApp wenig praktikabel

Denn für Konzerne mit Tausenden Kunden ist WhatsApp kein wirklich praktikabler Kanal. Das hat mit ein paar Besonderheiten dieses App-basierten Dienstes zu tun, der ganz anders funktioniert als etwa eine Facebook-Seite oder ein E-Mail-Newsletter-Dienst: Hier dominiert der Nachrichten- und Bilderaustausch entweder zwischen nur zwei Gesprächspartnern oder allenfalls in überschaubaren Gruppen.

Gerade bei Jüngeren immer beliebte 1-zu-1-Kommunikation à la Whatsapp. Foto: WhatsApp

Gerade bei Jüngeren immer beliebter: WhatsApp. Foto: WhatsApp

Als Alternative gibt es noch die „Broadcast“-Funktion, die auch „webZunder“ für seine Lösung einsetzt. Damit kann man zwar Nachrichten an viele Empfänger gleichzeitig verschicken, ist aber darauf angewiesen, dass jeder einzelne davon die Absender-Telefonnummer in seinem Telefonbuch bewusst abspeichert. Damit wollen die WhatsApp-Betreiber in den USA eben gerade Werbe-Spamfluten eindämmen. Anders gesagt: Hier ist vom Unternehmen viel „händische“ Arbeit gefragt, im WhatsApp-Dienste zu verwenden. Bei einem Dutzend Nachrichten, wie sie vielleicht ein kleines lokales Unternehmen täglich erhält oder versendet, mag dies bewältigbar bleiben – nicht aber für Großunternehmen mit Hunderten Anfragen pro Tag.

„Bypass“ zwischen WhatsApp und PC über Android-Tablet

Zudem kann man WhatsApp nur über einen Umweg über Android-Smartphones mit einem PC koppeln, was eine automatisierte Verarbeitung eingehender Whats-App-Nachrichten für Unternehmen erschwert. „webZunder“ musste deshalb eine Art „Bypass“ über Android-Tablettrechner entwickeln, damit Hotels und andere Unternehmen WhatsApp-Anfragen auch auf ihren PCs verarbeiten können.

Kommerzverbot und Datenschutz sorgen für rechtliche Hürden

Neben die technischen treten aber auch rechtliche Probleme: Zum Einen untersagt WhatsApp in seinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich eine kommerzielle Nutzung für die massenhafte Verteilung von Werbebotschaften, insofern bewegt sich der Dresdner Anbieter möglicherweise auf etwas dünnem Eis. Das kalifornische Betreiberunternehmen „WhatsApp Inc.“ äußerte sich auf unsere Anfrage allerdings nicht dazu.

Hinzu kommt der strenge Datenschutz in Deutschland: Personenbezogene Daten per WhatsApp zu übermitteln, wird von deutschen Datenschützern als problematisch eingeschätzt, schon allein, weil diese Informationen wohl auf Servern in den USA zumindest zwischengespeichert werden. Deshalb verweist die „webZunder“-Lösung ab einem bestimmten Punkt auch darauf, auf einen anderen Kanal als WhatsApp – wie etwa das gute alte Telefon – zu wechseln.

Dresdner Anbieter sieht dennoch viel Potenzial

Trotz all dieser Ecken und Kanten sieht „webZunder“-Chef Dirk Spannaus einiges Potenzial in der Dresdner WhatsApp-Kontakttechnik. Die Zeiten, in denen Kunden bereitwillig E-Mail-Newsletter bei Dienstleistern oder Händlern abonnierten, würden sich wohl dem Ende nähern. Andererseits hätten mittlerweile rund 30 Millionen Deutsche die „WhatsApp“-App auf ihren Telefonen installiert, der potenziell erreichbare Kundenkreis sei insofern recht groß. „Anderswo in der Welt ist es schon gang und gäbe für Unternehmer, WhatsApp für die Kundenbindung einzusetzen“, sagte Spannaus. Neben dem Akademiehotel stehe der nächste Nutzer für die Dresdner „WhatsApp“-Lösung jedenfalls bereits in den Startlöchern. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt