Geschichte

Knast in Reinstform

Das verfallene Gefängnis in Berlin-Köpenick führt dem Besucher vor Augen, wie spartanisch der Knast-Alltag zu Kaisers Zeiten war. Foto: Heiko Weckbrodt

Das verfallene Gefängnis in Berlin-Köpenick führt dem Besucher vor Augen, wie spartanisch der Knast-Alltag zu Kaisers Zeiten war. Foto: Heiko Weckbrodt

Das verfallene Gefängnis Berlin-Köpenick zeigt spartanische Haftbedingungen zu Kaisers Zeiten – und erinnert an das blutige Wüten der SA

Wie die Schlüsselbunde der Wärter laut rasseln, wie sich die erbarmungslose Kälte in den Knastmauern festgesetzt hat, die polternden Handaufzüge, mit denen die Klo-Eimer abgeseilt werden, die Einsamkeit auf ein mal zweieinhalb Schritt im Quadrat – all dies kann man sich nur allzu gut vorstellen, zwängt man sich durch die düster-zerblätterten Gänge und Türen im aufgegebenen Gefängnis Berlin-Köpenick.

Schlafen auf Holzpritzschen in winzig-düsteren Zellen

Ein Knast aus Kaisers Zeiten, der alle Klischees erfüllt, die man sonst nur aus Film und Fernsehen kennt: Zelle an Zelle, drei Stockwerke hoch, an den Türen Riegel und Klappspion, durch die die Wächter die Insassen beobachten konnten. Die Zellen selbst sind winzig und spartanisch eingerichtet: Lieblos zusammengezimmerte hölzerne Klapp-Pritschen, nur wenn die Sonne draußen richtig strahlt, dringt mehr als ein Schimmer durch die vergitterten Fenster in Kopfhöhe. Die Gänge zwischen den Zellen sind durch Stahlbrüstungen gesichert, die Treppen vergittert. Zweckmäßigkeit und gute Übersicht für das Wachpersonal haben die Architekten offensichtlich beim Entwurf geleitet.

Video-Impressionen (hw):
 

Jahrzehnte des Verfalls haben ihre Spuren hinterlassen: Einst grüne und weiße Farbe blättert von den Wänden, die Elektro-Schaltkästen sehen aus, als ob ihre letzte Wartung vor dem Mauerbau war, und einzig der Gestank in den Parterre-Klos verrät, das irgendjemand hier vor gar nicht so langer Zeit seine Geschäfte verrichtet haben muss – sonst würde man sie leicht mit einer archäologischen Ausgrabungsstätte verwechseln.

Foto-Galerie:

 

Wer hier mal saß, wollte gewiss nie wieder erwischt werden

1901 als Zwischengefängnis und Untersuchungs-Haft für das Amtsgericht Köpenick errichtet, bot das im Grundriss einem Bumerang ähnelnde Gebäude anfangs mehr oder minder Platz für 55 Häftlinge – darunter bis zu neun Frauen –, die übrigens zunächst ohne Heizungen in den Zellen frieren mussten. Im Vergleich zu den möblierten und meist recht hellen Zellen heutiger Justizvollzugsanstalten stand hier wohl ein Prinzip im Vordergrund: Wer hier einsaß, sollte nicht das Bedürfnis verspüren, nach der Entlassung jemals wieder hierher zu kommen.

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Mindestens 23 Menschen starben in „Köpenicker Blutwoche“

1933 riss sich die Sturmabteilung der Nazis den Knast unter den Nagel. Die SA sperrte hier zeitweise 500 Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und andere „Staatsfeinde“ ein, misshandelte sie, mindestens 23 von ihnen starben hier. Später, zu DDR-Zeiten, wurde der viergeschossige Ziegelbau an der Puchanstraße zum Jungend-Gefängnis, ab 1964 dann vom DDR-Fernsehen als Kostümfundus und Schneiderei genutzt.

360°-Spährenfoto (Ronny Siegel):
 

 

Gedenkstätte und beliebtes Foto-Objekt

Heute ist der linke Flügel eine Gedenkstätte, die an die „Köpenicker Blutwoche“ 1933 erinnert. Der größere Teil des Komplexes ist verfallen. Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat den Mitteltrakt und den rechten Flügel an die Berliner Firma „go2know“ vermietet, die fotografie- und verfallssüchtige Besucher gegen ein Entgelt in den maroden Knast einlässt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt