Kunst & Kultur

Die Narben des I. Weltkriegs in Polen

Foto: Eric Pawlitzky

Foto: Eric Pawlitzky

„Und alles ist weg“: Eric Pawlitzky zeigt im Kraszewski-Museum Dresden Fotos einstiger Schlachtfelder

Dresden, 9. Mai 2015. Es sind die Schützengräben an der Somme, die Blutpumpe vor Verdun oder die Senfgas-Angriffe bei Ypern, an die wir sofort denken, kommt die Rede auf den I. Weltkrieg. Doch ganz anders sah dieser Krieg im Osten aus, in Polen, Ostpreußen und Russland, wo er nie ganz zum Stellungskampf erstarrte, der Blutzoll – vor allem auf russischer Seite – aber dennoch sehr hoch war. Dem Fotografen Eric Pawlitzky war der Blick in die Geschichtsbücher und die Wikipedia nicht genug: Er reiste an die Schauplätze des „Großen Krieges“ im Osten, fing die einstigen Schlachtfelder in ihrem jetzigen Zustand ein. 30 Farbaufnahmen sowie 22 Eisenblaudrucke (Cyanotypien), die dabei entstanden, sind ab heute in einer Ausstellung „Und alles ist weg“ im Kraszewski-Museum Dresden zu sehen.

Eric Pawlitzky. Foto: Richard Stratenschulte

Eric Pawlitzky. Foto: Richard Stratenschulte

„Verwitterte Karteikästen“ des Weltkriegs

Es sind erstaunlich friedvolle und entrückte Bilder, die Pawlitzky auf seiner Reise vorgefunden hat, abgelegene Orte, viele on ihnen wurden seit den Kämpfen nie überbaut und lassen dadurch bis heute den Nachhall einstigen Waffengetöse vor dem inneren Ohr nachhallen: desolate Holzbrücken in einer schier unendlichen Wald- und Wiesenlandschaft. Ein einst klobiges Viadukt, zerstört, verfallen, zugewuchert. Eine Aue, goldglänzend im Licht der niedrigen Sonne. Für Pawlitzky sind sie „verwitterte Karteikästen, an die man eine neue Beschriftung klebt, die wiederum nur kryptisch unvollkommen sein kann, nie den ganzen Inhalt in all seinen Facetten wiedergibt“.

Werbung

Mit 115 Jahre alter Reisekamera eingefangen

Auf seiner historischen Spuren verwendete der aus Leipzig stammende Künstler teils auch das fotografische Rüstzeug jener Zeit: eine um 1900 gebaute historische Reisekamera für „Cyanotypien“. Dabei handelt es sich um ein vom englischen Astronomen John Herschel um 1842 entwickeltes Edeldruck-Verfahren, bei dem blaue Drucke entstehen, bei dem Eisen die aufgenommenen Lichtbilder fixiert. Autor: Heiko Weckbrodt

Viadukt bei Kruglanki, Masuren; gesprengt 1915 und 1945. Foto: Eric Pawlitzky

Viadukt bei Kruglanki, Masuren; gesprengt 1915 und 1945. Foto: Eric Pawlitzky

„Und alles ist weg. Orte des 1. Weltkriegs in Polen“, Fotografien und Königsblaudrucke von Eric Pawlitzky, 9. Mai bis 23. August 2015 im Kraszewski-Museum, Nordstraße 28, Dresden, Mi – So, Feiertage: 13 – 18 Uhr, Eintritt: vier Euro (ermäßigt drei Euro, Kinder bis 6 Jahre: frei), mehr Infos im Netz hier

Aus dem Begleitprogramm:
    • Vortrag „Am Abend tönen die herbstlichen Wälder von tödlichen Waffen“, von Dr. Justus H. Ulbricht, 17. Mai 2015, 15 Uhr (der I. WK aus polnischer Perspektive)
    • Filmvorführung „Finsterworld“, 7. Juni 2015, 15 Uhr (über die Erinnerungskultur in Deutschland)
    • Buchpremiere „Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene“, 20. Juni 2015, 18 Uhr
    • Filmvorführung „Merry Christmas“, 8. und 9. Juli 2015, jeweils 13 Uhr: mehrsprachiger Antikriegsfilm über den „Weihnachtsfrieden“ 1914

Zum Weiterlesen:

Dresdnerin will vergessene Edeldruck-Technik reanimieren

Fotoausstellung: Ein österreichischer Japaner im Dresden der DDR-Zeit

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt