Forschung

Studie bestätigt Rechtsruck bei Pegida

Politologe Prof. Werner Patzelt von der TU Dresden präsentierte heute seine neue Studie über Pegida. Foto: Heiko Weckbrodt

Politologe Prof. Werner Patzelt von der TU Dresden präsentierte heute seine neue Studie über Pegida. Foto: Heiko Weckbrodt

Laut Umfrage der TU Dresden gibt jetzt harter Kern um Facebook-Pegidisten den Ton an

Dresden, 21. Mai 2015 Der Eindruck vieler Beobachter hat sich nun durch Umfragen weiter erhärtet: Die asylkritische Pegida-Bewegung in Dresden hat seit Jahresbeginn einen spürbaren Rechtsruck gemacht. Gestiegen ist der Anteil jener, die offen ausländerfeindliche, demokratie-skeptische, teils auch rechtsradikale Positionen vertreten, während viele gemäßigtere Sympathisanten inzwischen abgesprungen sind. „Übrig geblieben ist vor allem der harte Kern“, schätzte Prof. Werner Patzelt von der TU Dresden ein, der heute den zweiten Teil seiner Pegida-Studie vorstellte.

705 neue Interviews mit Pegidisten

Unter Leitung des Politologen hatten Mitarbeiter und Studenten im Januar, April und Mai 2015 Teilnehmer der Pegida-Demonstrationen befragt. War die Systematik der ersten Studie im Januar umstritten gewesen, so haben Patzelt und seine Helfer diesmal deutlich mehr Mühe darauf verwendet, die Pegidisten möglichst repräsentativ auszufragen – er garantiere diesmal für die Repräsentativität, sagte der Professor. Die Studenten hatten im zweiten Schub auf zwei Demos insgesamt 705 Interviews mit Teilnehmern der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden geführt.

Grafik: TU Dresden, Institut für Politikwissenschaft

Grafik: TU Dresden, Institut für Politikwissenschaft

Mehrheit vertraut keiner Partei und neigt zu Fremdenfeindlichkeit

Einige Kernergebnisse: Zwei Drittel der Pegida-Demonstranten vertrauen keiner Partei, rund 14 Prozent halten Gewalt gegen politische Gegner für legitim, die Hälfte meint, dass Deutschland zuviele Asylbewerber aufnimmt. Ebenfalls etwa jeder zweite Pegidist ist der Meinung, dass „niemand in einem Land leben sollte, in das er aufgrund seiner Kultur, seiner Religion, seines Verhaltens oder seines Aussehens nicht passt“ – was man wohl als fremdenfeindliche Einstellung einstufen kann. Zwei Drittel stehen zwar im Grundsatz zur Demokratie als Gesellschaftsmodell, fast drei Viertel sind aber unzufrieden damit, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert.

Wutbürger gegen Wutbürger? Pegida-Demonstration gegen Einwanderung am 1. Dezember 2014 - und links daneben die Gegendemo der "Antifa" Foto: Heiko Weckbrodt

Wutbürger gegen Wutbürger? Pegida-Demonstration gegen Einwanderung am 1. Dezember 2014 – und links daneben die Gegendemo der „Antifa“ Foto: Heiko Weckbrodt

Pegidisten haben Wendeherbst vor Augen und glauben, Deutschland etwas Gutes zu tun

Eine deutliche Mehrheit von 88 Prozent der Pegidisten ist überzeugt, mit ihren Demonstrationen Gutes zu tun, indem sie in Deutschland damit etwas zum Besseren wenden – viele von ihnen hatten schon an den Wendeherbst-Demos 1989 teilgenommen und haben den damaligen Sturz der SED-Herrschaft vor Augen. Dies wertet Patzelt als deutliches Anzeichen für eine verzerrte Wahrnehmung der Pegida-Anhänger, die offensichtlich mit ihren Diskussionen gerne unter sich bleiben.

Zugleich warnte der Professor aber davor, von den sogenannten „Facebook-Pegidisten“ auf die gesamte Pegida-Anhängerschaft zu schließen: „Wer Pegida nur aus Facebook kennt, kennt nur einen kleinen Teil von Pegida, den aggressiven harten Kern.“ Schaue man sich die demografischen Merkmale der Demonstranten – soweit in der Studie abgefragt – an, so stelle keineswegs ein entfesselter Unterschichts-Mob die Mehrheit: Der durchschnittliche Pegidist sei männlich, 49 Jahre alt, verheiratet, komme aus Dresden oder dem Umland, habe einen Job, eine gute Ausbildung, allerdings ein unterdurchschnittliches Einkommen.

Politisch Entfremdete sind potenzielle Rekruten für noch Radikalere

Zugleich warnte Patzelt davor, das Thema „Pegida“ angesichts der sinkenden Resonanz dieser Bewegung als „erledigt“ abzuhaken. „Viele Pegidianer haben dem politischen System den Rücken gekehrt“, argumentierte er. Die Stigmatisierung von Pegida in der öffentlichen Diskussion und die Misserfolge der Bewegung selbst hätten zwar dazu geführt, dass deren „Montags-Spaziergänge“ nicht mehr das Stadtbild dominieren. Aber letztlich würden diese Enttäuschten vor allem das Lager der Nichtwähler verstärken – und das Rekrutierungs-Reservoir für noch radikalere Bewegungen. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt