Dresden-Lokales, Wirtschaftspolitik

Dresdens Wirtschaft verliert an Dynamik

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) will Oberbürgermeister in Dresden werden. Er möchte eine städtische Tochtergesellschaft gründen, die für mehr Gewerbeflächen sorgt, damit Dresdens Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Foto: Heiko Weckbrodt

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) will Oberbürgermeister in Dresden werden. Er möchte eine städtische Tochtergesellschaft gründen, die für mehr Gewerbeflächen sorgt, damit Dresdens Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Foto: Heiko Weckbrodt

OB-Kandidat Ulbig verspricht neuen Schwung – doch vieles bleibt vage

Dresden, 26. Mai 2015. Der einstige Vorzeige-Wirtschaftsstandort Dresden verliert an Dynamik: Die Wirtschaftsleistung pro Einwohner sinkt, mittlerweile hat Konkurrent Leipzig die Landeshauptstadt beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner überholt. Während die Autohersteller fleißig weiter in ihre Werke in Leipzig investieren, hat es in Dresden schon lange keine großen Chipfabrik-Ansiedlungen wie noch in den 1990ern gegeben – und auch das Wachstum der kleinen und mittleren Betriebe, die nach der Wende entstanden sind, kann dieses Manko nicht ausgleichen.

CDU-Oberbürgermeisterkandidat Markus Ulbig verspricht nun, neuen Schwung in die Wirtschaftsförderung zu bringen, wenn er im Juni gewählt werden sollte: Er will eine Stadtentwicklungs-Gesellschaft gründen, die für mehr Ansiedlungsflächen in Dresden sorgt, außerdem die schon oft kritisierte, weil maue Flug- und Bahnanbindung der Stadt verbessern. Den örtlichen Handwerkern verspricht er kleinere Losgrößen bei städtischen Bauprojekten. Auch soll sich Dresden beim nächsten Evolutionsschritt hin zu hochautomatisierten und vernetzten Fabriken („Industrie 4.0“) an die Spitze der Entwicklung stellen. „Wirtschaftsförderung muss Chefsache sein“, beteuerte er heute bei einem Baustellenrundgang am entstehenden Einkaufskomplex rund um das alte DVB-Hochhaus in Dresden. In vielen Punkten bleibt der OB-Kandidat und derzeitige sächsische Innenminister aber vage.

Leipzig hat Dresden bei Wirtschaftskraft überholt

Dass Dresden längst nicht mehr so wirtschaftlich prosperiert wie in der Nachwendezeit, ist kaum noch wegzureden und Ulbig versucht das auch gar nicht erst: Im Vergleich zu Leipzig und Chemnitz habe die Landeshauptstadt ihre Rolle als dynamischer Vorreiter eingebüßt, schätzt er ein. Das zeigt sich auch in den harten Zahlen: Bei der jüngsten Auswertung des „Arbeitskreises volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ kam Dresden im Jahr 2012 (neuere bereinigte Lokal-Auswertungen liegen dort noch nicht vor) nur noch auf 28.694 Euro erwirtschaftetes BIP je Einwohner und damit 0,9 % weniger als im Vorjahr. Leipzig dagegen überholte Dresden und kam auf 28.964 Euro BIP je Einwohner und Chemnitz arbeitete sich auf 28.678 Euro vor. Dabei hatte Dresden im Jahr 2007 bereits eine Wirtschaftskraft von knapp 31.000 Euro BIP je Einwohner erreicht. Dann kamen Chip- und Wirtschaftskrise und Qimonda-Pleite – und seitdem stagniert die Dresdner Wirtschaft weitgehend. All dies mag für den Außenstehenden wie bloßes Zahlengewirr wirken, ist aber letztlich der härteste Indikator dafür, welche Spielräume eben zum Beispiel auch die Stadt und die Stadtverwaltung mittelfristig hat, wichtige Projekte und Sozialausgaben zu stemmen.

Wachstumstreiber Autoindustrie in Sachsen - hier ein Blick in die i8-Montage im BMW-Werk Leipzig. Foto: BMW

Die Autowerke von BMW, Porsche & Co.sorgen für wirtschaftliche Impulse in Leipzig – in der Dresdner Mikroelektronik hingegen gibt es hingegen kaum größere Schübe. Foto: BMW

Neben den mangelnden Erfolgen in der bisherigen Regierungszeit von Stanislaw Tillich (CDU), weitere Mikroelektronik-Großansiedlungen für Dresden zu gewinnen, hat der Dynamikverlust nach Meinung einiger Vertreter aus Wirtschaft und Forschung auch damit zu tun, dass zum Beispiel für hiesige Biotech-Ausgründungen zu wenig Gewerbeflächen verfügbar sind.

Plan: Teil kreditfinanzierte Stadttochter soll neue Gewerbeflächen erschließen

Ulbig will daher eine Stadtentwicklungs-Gesellschaft nach dem Vorbild Pirnas gründen,wo er früher OB war. Diese Tochter soll statt der Verwaltung nach marktwirtschaftlichen Prinzipien mittelfristig rund 50 Hektar neue Gewerbeflächen erschließen und sie eventuell auch gleich mit vermarkten. Das finanzielle Erstausstattung soll die Gesellschaft teils durch Kredite finanzieren, auch soll die Stadt bisher ungenutzte Flächen aus ihrem Besitz als Basiskapital einbringen. Im laufenden Betrieb könne sich das Unternehmen dann durch die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen finanzieren, meint Ulbig.

Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten: Oft sind kommunale Gewerbegebiete und -höfe Zuschussgeschäfte. Wenn man zudem an die chronisch defizitäre Betreibergesellschaft des kommunalen Nanoelektronikzentrums in Dresden-Klotzsche denkt, sind städtische Tochtergesellschaften bisher nicht immer als Erfolgsmodell aufgefallen.

Ex-Kammerpräsident: Verkehrsverbindung Dresdens ist „Katastrophe“

Claus Dittrich. Foto: hw

Claus Dittrich. Foto: hw

Auch die im Vergleich zu anderen europäischen Wirtschafts-Clustern eher schwache Verkehrsanbindung sorgt immer wieder für Unmut in Forschung und Wirtschaft: Internationale Koryphäen zu Kongressen nach Dresden zu locken, ist beispielsweise schwierig, weil sie schlichtweg mehrmals umsteigen müssen, wenn sie aus Amerika oder Asien nach Dresden wollen, wie erst jüngst wieder Prof. Wieland Huttner von „dresden concept“ einschätzte. Auch der frühere Handwerkskammer-Präsident Claus Dittrich sieht den status quo sehr kritisch: „Dresden ist regelrecht abgekoppelt“, schimpft er. „Das ist für die Wirtschaft hier eine Katastrophe.“

Danach gefragt, wie genau er die Bahn- und Flugverbindungen nach Dresden oder Dresdens Rolle als „Industrie 4.0“-Vorreiter verbessern will, darauf gab Ulbig eher vage Antworten: Man müsse eben am Ball bleiben und weiter Lobby-Arbeit betreiben, so sein Tenor. Aber das haben Dresden-Lobbyisten bei der Bahn, beim Bund und bei den Fluggesellschaften (die letztlich darüber entscheiden) bisher auch schon getan – mit mäßigem Erfolg.

Konkurrentin Stange setzt auf externen Ansiedlungsbeauftragten

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), Ulbigs Konkurrentin um den OB-Sessel, neigt eher dazu, einen externen Ansiedlungs-Beauftragten einzusetzen, wenn sie gewählt wird. In ihrer Wirtschaftspolitik wolle sie sich zudem auf die Förderung kleiner Betriebe und des Mittelstandes, die Kreativwirtschaft und Instituts-Ausgründungen sowie den Breitband-Ausbau konzentrieren. In diesem Punkten ähneln sich die Positionen Stanges und Ulbigs.

Hilbert: Weitere Mini-Gesellschaft würde Wirtschaftsförderung nur verzetteln

Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) – ebenfalls OB-Kandidat – beurteilt das Konzept seines Wahlkampf-Konkurrenten Ulbig skeptisch: „Eine weitere Mini-Gesellschaft nur für die Erschließung von Gewerbegebieten hätte wenig Sinn“, glaubt er. „Die Wirtschaftsförderung kann sich damit schnell verzetteln, außerdem würde die Verwaltung selbst eigene Gestaltungsspielräume einbüßen.“ Sinnvoller könne solch eine betriebswirtschaftlich agierende Stadttochter nur dann sein, wenn sie auch gleich den Betrieb und die Vermarktung der kommunalen Technologienzentren und Gewerbehöfe mit übernehme. Dies sei in der Vergangenheit aber unter den Miteigentümern dieser Betreibergesellschaften auf wenig Gegenliebe gestoßen. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt