Wirtschaft

12,5 Millionen Euro für neues Fraunhofer-Elektronikzentrum in Sachsen

Das neue Nationale Leistungszentrum für Nanoelektronik in Dresden und Chemnitz ist ein Puzzle aus vielen Akteuren und Geldgebern. Von links nach rechts sind hier ZMD-Chef Thilo von Selchow, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer, IPMS-Chef Hubert Lakner und der Dresdner TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen zu sehen, wie sie sich gemeinsam freuen. Foto: Heiko Weckbrodt

Das neue Nationale Leistungszentrum für Nanoelektronik in Dresden und Chemnitz ist ein Puzzle aus vielen Akteuren und Geldgebern. Von links nach rechts sind hier ZMD-Chef Thilo von Selchow, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer, IPMS-Chef Hubert Lakner und der Dresdner TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen zu sehen, wie sie sich gemeinsam über die zusammegesetze symbolische Chip-Scheibe freuen. Foto: Heiko Weckbrodt

Ingenieure wollen innovative Nanoelektronik für raschen Industrie-Einsatz entwickeln

Dresden, 17. Juni 2015. Das neue „Nationale Leistungszentrum Funktionsintegration für die Mikro-Nanoelektronik“ in Dresden und Chemnitz soll sich ab 1. Juli auf Elektroniktechnologien stürzen, die einen raschen Praxiseinsatz versprechen: Computerchips mit organischen Komponenten zum Beispiel, Stromspar-Schaltkreise, die ihren Energiebedarf wie ein Mikrokraftwerk selbst decken („Energie-Ernte“), oder auch neuartige Diagnostiksysteme für die Medizin und handliche Lebensmittel- und Arznei-Scanner. Diese und andere Startprojekte hat Prof. Hubert Lakner angekündigt, der Leiter des Dresdner Fraunhofer-Photonikinstituts IPMS, der das neue Zentrum koordinieren wird.

Sein Chef Prof. Reimund Neugebauer hat vor allem den langfristigen Schub für die deutsche Wirtschaft im Ganzen vor Augen: In dem die Fraunhofer-Gesellschaft (FHG) die sächsische Chip-Forschung und -Produktion in einem Entwicklungs- und Transfer-Zentrum bündele, entstehe ein technologisches „Hochplateau“ in Dresden und Chemnitz, das letztlich auch zu Wettbewerbsvorteilen für die deutsche Industrie führen soll.

Fraunhofer schlägt Brücke zwischen Unis Dresden und Chemnitz und rund 20 Hightech-Firmen

Im Leistungszentrum werden zunächst vier Fraunhofer-Institute, die Technischen Universitäten Dresden und Chemnitz sowie rund 20 Industriepartner zusammenarbeiten. Sie wollen dort eine gemeinsame Technologieplattform für die Entwicklung innovativer Bauelemente und Systeme schaffen, eine Transferstelle für die Überführung der Forschungsergebnisse in die Fabrikation sowie Projektteams zusammenstellen, die Industrieaufträge bearbeiten. In der zweijährigen Pilotphase stehen dafür 12,5 Millionen Euro zur Verfügung: 2,5 Millionen Euro von der FHG, fünf Millionen vom Freistaat Sachsen und weitere fünf Millionen Euro von den Industriepartnern.

Optischer Scankopf einer 3D-Kamera für Roboter. Foto: Fraunhofer IPMS

In diesem Prototypen stecken bereits Multifunktions-Chips mit Mikrospiegeln, die bei Fraunhofer Dresden entwickelt wurden: Optischer Scankopf einer 3D-Kamera für Roboter. Foto: Fraunhofer IPMS

FHG und Sachsen hoffen ab 2017 auf Exzellenzmillionen vom Bund

Wenn alles so klappt, wie sich das Neugebauer vorstellt, soll danach daraus ein dauerhaftes Zentrum werden, das auch Exzellenzfördermittel des Bundes nutzen kann. Dann sei ein Jahres-Budget von 20 Millionen Euro vorstellbar, so der FHG-Präsident: je zehn Millionen vom Bund und aus eigenen Mitteln. So richtig fest steht diese Bundesbeteiligung zwar längst noch nicht. Doch Neugebauer wie auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) glauben, in puncto Mikro- und Nanoelektronik einen Sinneswandel in Berlin feststellen zu können: Die Bundesregierung schließe sich mehr und mehr der Position der Sachsen an, dass eine eigene Halbleiterproduktion in Deutschland ganz entscheidend für alle andere Industriezweige sei – und damit auch besonderer Förderung bedarf.

Fraunhofer will Geld „in Köpfe“ und nicht in Beton stecken

Zugleich dämpften die Fraunhofer-Vertreter aber städtische Hoffnungen, dass das neue Leistungszentrum an der Maria-Reiche-Straße als Rettungsanker für das defizitäre kommunale Nanoelektronikzentrum NanoZ gleich gegenüber dienen könne: Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ringt bereits seit geraumer Zeit darum, die nur teilsanierten NanoZ-Häuser 5 und 7 an die FHG verkaufen zu können. Doch die will die jetzt akquirierten Millionen lieber „in Köpfe“ statt in Anlagen und Beton investieren. Das neue Leistungszentrum wird insofern (vorerst) kein physisches Gebäude sein, sondern erst mal „nur“ ein virtueller Verbund. Der wird laut Lakners Schätzungen in der Anfangsphase für fünf bis zehn neue Stellen sorgen, das meiste Geld solle aber für Forschungsprojekte gemeinsam mit den Unis ausgegeben werden. Ein Ankauf der NanoZ-Häuser hingegen sei – zumindest derzeit – damit nicht vorgesehen, stellte der IPMS- und Leistungszentrum-Chef heute klar.

Die Reinraumfabrik des Instituts ist für Prototypen und Kleinserien ausgelegt. Abb.: IPMS

Die Reinraumfabrik des Photonik-Instituts IPMS Dresden ist für Prototypen und Kleinserien ausgelegt. Abb.: IPMS

Weitere 30 Millionen Euro von EU für Umrüstung der Entwicklungs-Chipfabrik

Ihm winken jetzt zwar weitere 30 Millionen Euro von der EU. Doch mit den Geldern des „Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung“ (EFRE) will er lieber seine Pilot-Chipfabrik im eigenen Hause von 150 auf 200 Millimeter große Chipscheiben umstellen. Die Mini-Fabrik soll dadurch für gemeinsame Entwicklungsprojekte mit Halbleiter-Unternehmen attraktiver werden und auch größere Serien der IPMS-eigenen Chipentwicklungen herstellen können.

Hilbert warnt Stadträte vor NanoZ-Blockade

Hilbert warnte derweil davor, nun für das NanoZ alle Hoffnungen fahren zu lassen: „Es wäre schade und konterkarierend, wenn Stadträte aus kleinlichen Erwägungen, die grundsätzliche und standortprägende Branche sowie deren Unternehmen in Frage stellen. Das Signal wäre verheerend nach außen“, erklärte der Wirtschaftsbürgermeister und amtierende Oberbürgermeister mit Blick auf die morgige Stadtratssitzung, auf der auch über eine Finanzspritze für das kommunale Nanoelektronikzentrum beraten wird.

Autor: Heiko Weckbrodt

Stichwort „Nationale Leistungszentren“

In mindestens zehn „Nationalen Leistungszentren“ will FHG-Präsident Reimund Neugebauer Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstandorte in Deutschland stärken, die sich bereits Alleinstellungsmerkmale gegenüber der internationalen Konkurrenz erarbeitet haben, aber weiter Impulse bedürfen, um Marktdurchbrüche zu erzielen. Dabei sollen die Vernetzung der regionalen Akteure, die rasche Entwicklung innovativer und forschungsintensiver Produkte und der Aufbau von Pilotlinien im Fokus stehen.

Das Nanoelektronik-Zentrum in Dresden ist eines von drei bisher bereits bewilligten „Nationalen Leistungszentren“ der FHG. Bereits im März wurde ein solches Zentrum mit dem Schwerpunkthema „Nachhaltigkeit“ in Freiburg eröffnet. Fast zeitgleich mit Dresden ist nun auch ein Leistungszentrum für Leistungselektronik in Erlangen gestartet. Für 15 weitere Standorte liegen Bewerbungen vor, zum Beispiel aus Chemnitz (energieeffiziente Fabriken), Jena (Photonik) und Halle/Leipzig (Chemie- und Biosystemtechnik). hw

Zum Weiterlesen:

Deutsche Mikroelektronik nicht kleinreden: FHG-Präsident Neugebauer im Oiger-Kurzinterview

Mikroelektronik-Standort Dresden profiliert sich stärker auf Multifunktions-Chips

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt