Wirtschaft

Dresdner lassen Menschen per Hoverboard schweben

Hoverboard-Tester Ross McGouran mit dem schwebenden Suptraleit-Hoverboard. Foto: Lexus

Hoverboard-Tester Ross McGouran mit dem schwebenden Suptraleit-Hoverboard. Foto: Lexus

„Zurück in die Zukunft“: Supraleit-Technik aus Sachsen macht Sci-Fi von gestern möglich

Dresden/Tokyo, 5. August 2015. Der Anblick erinnert verblüffend an jene legendäre Szene aus dem Science-Fiction-Film „Zurück in die Zukunft II“ von 1989: Ein junger Mann steht auf einem Board und düst damit durch die Stadt, legt sich in die Kurve, wir schauen genauer hin und siehe da: Der Boarder rollt nicht, er schwebt! Und heute, 26 Jahre später, ist dieses schwebende Hoverboard tatsächlich Realität geworden – dank Supraleit-Technik aus Dresden.

Dampfende Luft statt Rollen unterm Brett

In dem Werbe-Video, das die japanische Luxusautomarke Lexus jetzt weltweit verbreitet, schwebt, springt und rast der Szene-Guru Ross McGouran mit diesem Hoverboard auf einem Parcours, ja sogar über eine Wasserfläche. Unter dem Board sind keine Rollen – sondern zwei Zentimeter dampfende Luft. Lexus will mit dem Dreh vor allem die Werbebotschaft „Wir überwinden Grenzen“ vermitteln, doch der wesentliche Punkt ist: „Das Video ist nicht gefakt, das Board schwebt wirklich“, wie Dr. Oliver de Haas, der Chef der Dresdner Technologiefirma „Evico“ versichert.

Das Werbevideo mit dem Schwebe-Hoverboard (Lexus):

Skater-Guru: Eine ganz neue Erfahrung

„Eine ganz neue Erfahrung“, urteilte Hoverboard-Tester Ross McGouran, als er wieder abgestiegen war. „Ich bin seit 20 Skateboarder, aber ohne Reibung fühlt es sich wie etwas völlig Neues an.“ Auch Lexus-Vizepräsident Mark Templin ist ganz euphorisch über dieses „Slide“ genannte Schwebe-Bord. „Damit schieben wir die Grenzen von Technologie, Design und Innovation weiter hinaus und machen das Unmögliche möglich.“

Supraleiter ermöglichen ultrastarke Schwebe-Magneten

Möglich gemacht haben dies spezielle sächsische Supraleit-Magneten, die in das Board eingebaut, mit Stickstoff tiefgekühlt und mit Glas- und Kohlenfasern ummantelt wurden. Diese Materialien leiten bei tiefen Temperaturen Strom ohne jeden Widerstand. Dadurch kann man daraus extrem starke Magneten konstruieren, die sich ein bis zwei Zentimeter über dem Boden „einfrieren“, selbst schwere Fahrzeuge schweben lassen.

Video über die Entwicklung und die Tests in Dresden (Lexus):
 

Hoverboard wurde bei „Suptratrans“ in Dresden-Niedersedlitz gestestet

Die benötigten Supraleit-Materialien, -Schienen und Tiefkühl-Kryostate wurden in Dresden entwickelt und produziert. Getestet wurde das Hoverboard zunächst auf der „Supratrans“-Pilotstrecke des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) in Dresden-Niedersedlitz, wo sonst Prototypen für schwebende Straßenbahnen erprobt werden. Danach wurden die speziellen Magnetschienen und die Supraleittechnik nach Barcelona zum Videodreh transportiert.

Evico-Chef Oliver de Haas an einem der Spezialöfen, die die Supraleit-Trägerbänder strukturieren. Abb.: hw

Evico-Chef Oliver de Haas an einem der Spezialöfen, die die Supraleit-Trägerbänder strukturieren. Abb.: hw

Feilschen zwischen Technologen und Designern

„Die 18-monatige Entwicklung des Hoverboards war auch für uns eine Herausforderung und wir haben viel dabei gelernt“, sagte Oliver de Haas. „Das war ein stetiges Ringen um einen Kompromiss zwischen den technologischen Möglichkeiten und den Wünschen der Lexus-Designer und der Videoproduzenten.“ Am Ende entstand ein cooles Gerät, dessen Stickstoff-Kühltank das Board etwa eine halbe Stunde bis zu zwei Zentimeter über dem Boden in der Schwebe halten kann.

Entwickler waren selbst verblüfft

Und die Dresdner Entwickler, die auf der Supratrans-Strecke sonst nur eher gemächliche Schwebe-Fahrzeuge gleiten lassen, waren selbst erstaunt, was ihre Supraleit-Technik alles hergab: „Wir haben gestaunt, dass es den Skateboardern sogar gelang, das Board aus dem magnetischen Feld herausspringen zu lassen und damit akrobatische Bewegungen zu machen“, sagte der Evico-Chef im Oiger-Gespräch.

Hoverboard geht leider nicht in Serie

Allerdings gibt es da zwei Wermutstropfen. Erstens: Das Board wurde speziell für dieses Werbevideo entwickelt und wird wohl nie in Serie gehen, wie Lexus schon mal allen nassgeschwitzten Fans vorsichtshalber mitgeteilt hat. Und zweitens: Solche Supraleit-Hoverboards funktionieren nicht auf normalem Asphalt oder Beton, vielmehr musste der Boden für den Videodreh mit eingelassenen Magnetschienen präpariert werden. Dennoch ist de Haas überzeugt, dass der Entwicklungsaufwand mehr als eine Eintagsfliege war: „Wir werden die beim Hoverboard gesammelten Erkenntnisse in unsere anderen Supraleit-Projekte einfließen lassen.“

Auf der Hannovermesse zeigen Evico und Festo Supraleittechnik - hier ein simulierter, hermetisch abgeschlossener Reinraum ohne Schleuse, der durch die Felder von Supraleit-Magneten ferngesteuert wird. Foto: Festo

Supraleittechnik Evico und Festo – hier ein simulierter, hermetisch abgeschlossener Reinraum ohne Schleuse, der durch die Felder von Supraleit-Magneten ferngesteuert wird. Foto: Festo

Know-How fließt in Industrie-Supraleittechnik ein

Die Technologiefirma „Evico“ war als Ausgründung aus den Supraleit-Forschungen des IFW Dresden entstanden. Das Unternehmen hat sich vor allem auf supraleitende Kabel spezialisiert, die Strom widerstandslos leiten und damit verlustfreie Energieübertragungen ermöglichen. Mit Partnern wie dem Automatisierungs-Spezialisten Festo arbeiten die Dresdner Ingenieure aber auch an Industrieanwendungen, zum Beispiel supraleitenden Schweberobotern für Fabriken oder Labore. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt