Alle Artikel mit dem Schlagwort: SED

Eine Rechenanlage "Robotron 300" in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Bezirksrechenzentren sollten in DDR für Digitalisierungs-Schub sorgen

Leitbeschluss vor 60 Jahren – später wurde aus dem VEB Maschinelles Rechnen das „Kombinat Datenverarbeitung“ Berlin/Dresden, 3. Januar 2024. Vor 60 Jahren starteten die ostdeutschen Wirtschaftslenker in Berlin einen wichtigen Anlauf, um die weltweiten Umwälzungen hin zu elektronischen Computern und digitalen Lösungen auch in der DDR systematisch anzugehen: Zum Jahreswechsel 1963/64 beschloss der SED-geführte Ministerrat ein Bündel aus „Sofortmaßnahmen zur Entwicklung der Datenverarbeitung“. Einige davon wurden in den Folgejahren realisiert. Andere scheiterten an Ressourcenmangel, wegen des Machtwechsels von Ulbricht zu Honecker, teils aber auch in Reaktion auf neue Trends.

Manfred von Ardenne. Foto: Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Warum Honecker Ardennes Enteignung revidierte

Der neue SED-Chef wollte das größte Privatinstitut der DDR vor 50 Jahren eigentlich auch verstaatlichen – und wählte dann doch die bequeme Lösung Dresden, 8. März 2022. Als eines von ganz wenigen größeren privaten Unternehmungen in der DDR und im ganzen Ostblock entging die Dresdner Forschungseinrichtung von Manfred von Ardenne der letzten großen Verstaatlichungswelle vor 50 Jahren. Und das hatte weniger mit den guten Kontakten des „roten Barons“ nach Moskau zu tun, wie lange vermutet, sondern mit Zuordnungsrangeleien hinter der den Kulissen, wie der frühere Technikdirektor des Instituts, Peter Lenk, nach jahrelangen Recherchen herausbekommen hat. Zwar sei dem Institut schon 1972 der Privatisierungsbefehl erteilt worden. Doch dann habe das Gerangel darum, wer das Institut übernimmt, schier kein Ende genommen. „Das Politbüro hat dann letztlich die bequeme Lösung gewählt“, berichtet Lenk. „Erich Honecker persönlich hat dann unter die Akte geschrieben: Alles bleibt so wie es ist.“

Auch die Holzfiguren-Manufaktur „Wendt & Kühn“ in Grünhainichen wurde 1972 verstaatlicht. Hans Wendt durfte den VEB Werk-Kunst“ bis zum Ende der DDR als Betriebsdirektor leiten – und kaufte ihn 1990 zurück. Heute ist der erzgebirgische Familienbetrieb mit seinen Engelchen, Spieldosen und anderen Handwerkskunst-Produkten – hier im Bild ein „Goldedition“ – wieder gut im Geschäft. Fotograf: Wolfgang Schmidt für Wendt & Kühn

Vor 50 Jahren löschte die SED den privaten DDR-Mittelstand aus

Als ein Preis für die Ablösung Ulbrichts ließ der neue Parteichef Honecker 1972 fast 12.000 Unternehmen enteignen Berlin/Dresden/München, 8. Februar 2022. Heute vor 50 Jahren hat das SED-Politbüro um Erich Honecker die letzte große Verstaatlichungswelle in gestartet – und damit den einst so leistungsstarken ostdeutschen Mittelstand weitgehend vernichtet. Vier Monate später meldete Honecker Vollzug nach Moskau: Fast 12.000 private und teilprivate Unternehmen hatte er bis dahin durch einen Mix aus Druck, Zwang, Agitation und finanziellen Daumenschrauben enteignen lassen. „Lieber Genosse Leonid Iljitsch“, schrieb er am zum 13. Juli 1972 an den damaligen Generalsekretär der sowjetischen Kommunisten. „Es ist mir angenehm, Dir im Auftrag des Politbüros des Zentralkomitees unserer Partei mitzuteilen, daß … die Umwandlung der Betriebe mit staatlicher Beteiligung, Privatbetriebe und industriell produzierenden Genossenschaften in volkseigene Betriebe mit Erfolg abgeschlossen werden konnte“, rapportierte er das Ende eines DDR-Sonderweges mit hybrider Wirtschaft, der den sowjetischen Genossen noch nie so richtig gepasst hatte.

Die Steckenpferd-Lilienmilch-Seife war ein Verkaufsschlager, die Nachfrage kaum zu befriedigen. Repro (hw)) aus: H. Pfeil: Welch ein reichtum!

Per „Steckenpferd-Kampagne“ Valuta für die Staatskasse

Im Buch „Welch ein Reichtum!“ skizziert Hartmut Pfeil die Radebeuler Industriegeschichte Radebeul. Gummistiefelweitwurf, Luftgitarrespielen, Frauentragen – die Finnen haben einige bizarre Sportarten erfunden, die sie mit aller Leidenschaft betreiben. Neueste Innovation: Steckenpferdreiten, was heißt, dass die Pferde, mit denen man bei Meisterschaften einen Hindernisparcours bewältigt, aus Holz, Stoff und Wolle bestehen. Deutlich prosaischer waren die Beweggründe, weshalb zu DDR-Zeiten eine „Steckenpferd“-Kampagne ins Leben gerufen wurde. Um Überseehandel zu treiben, fehlte es an Schiffen, denn was man in den eigenen Werften an der Ostsee produzierte, ging als Reparation in die Sowjetunion. Also wurde 1957 ein „Valuta- und DM-Fond“ gegründet, um gebrauchte Handelsschiffe aus dem Westen ankaufen zu können, die allerdings nur für Devisen zu haben waren. Erster Ansprechpartner des Außenhandelsministeriums der DDR war der VEB Steckenpferd aus Radebeul.

Die Verladeanlage im Kaliwerk Roßleben mit den Gleisanschlüssen - die Aufnahme entstand 1992 kurz vor dem Abriss. Foto: Peter Weckbrodt

Kaliwerk Roßleben (5): Kaum fertiggestellt, schon veraltet

DDR-Innovationslenker brauchten viel zu lange und planten am Weltmarkt vorbei Roßleben, 1. Januar 2015: In den 1960er Jahren ließen die DDR-Wirtschaftslenker das Kaliwerk im thüringischen Roßleben mit großem Aufwand modernisieren, um mehr Devisen im Westen mit Kalidünger zu erlösen. Trotz bevorzugter Ressourcen-Zuteilung als Staatsplan-Vorhaben dauerte dieses zentral gesteuerte Innovationsprojekt jedoch viel zu lange, um mit der Entwicklung auf den Weltmärkten Schritt zu halten. Die Folge: Die neuen Dünger-Anlagen waren bereits veraltet, als sie endlich in Betrieb gingen.

Die Modernisierung des Kaliwerks Roßleben wurde zum "Staatsplanvorhaben" erhoben und bekam dadurch bevorzugt Ressourcen in der DDR-Mangelwirtschaft zugewiesen. Foto: Peter Weckbrodt, bearbeitet: hw

DDR-Kaliwerk-Projekt (4): Roßkur in Roßleben

Mit eiserner Hand und Schnaps zur modernsten Kalidünger-Fabrik der DDR Roßleben, 25. Dezember 2014. Es war eine wahre Rosskur, die der Belegschaft bei diesem Staatsplanvorhaben zugemutet wurde: Das Kaliwerk Roßleben sollte nach dem Willen der zentralen Wirtschaftslenker zur modernsten DDR-Düngerfabrik in ihrer Art ausgebaut werden. Während des laufenden Betriebes nicht nur einfach zu produzieren, sondern auch die Planziele Monat für Monat zu erreichen – was letztlich sogar gelang –, grenzte an ein Wunder. Eine Grundvoraussetzung dafür war, dass es insbesondere dem Werkdirektor Helmut Schirmer gelang, die Belegschaft davon zu überzeugen, dass es zu den Zielstellungen und den Terminen keine Alternative gibt.

Junge Programmierer bei der Arbeit im Schülerrechenzentrum Dresden. Foto: hw

Schülerrechenzentrum Dresden trommelt „Ehemalige“ zusammen

Seit 30 Jahren deutschlandweit einmalige Begabtenförderung für junge Programmierer Dresden, 9. Oktober 2014: Ideell war das Dresdner „Schülerrechenzentrum“ (SRZ) ein Kind der SED-Hightech-Propaganda der 1980er Jahre, entwickelt hat es sich rasch zu einem Anlaufpunkt für begabte Jung-Programmierer – und ist bis heute deutschlandweit einmalig geblieben. 30 Jahre nach der offiziellen Gründung wollen die Betreiber und Unterstützer nun die ehemaligen Schüler dieser Begabten-Fördereinrichtung zusammentrommeln: Die Dresdner Software-Firma „Saxonia Systems“, die das Zentrum seit Jahren unterstützt, will am 16. Oktober 2014 eine Jubiläumsfeier im internationalen Kongresszentrum Dresden ausrichten.

Foto: Eulenspiegel

Sachsen unter SED-Regie wäre heute eine Ruinenstadt

Dresdens letzter SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer versucht in seinem neuen Buch eine persönliche Katharsis Dresden, 3. September 2014:  Vielleicht war Erich Honecker – innerhalb der engen Grenzen seines weltanschaulichen Mikrokosmos’ – doch hellsichtiger als gemeinhin angenommen: Dass sich der greise DDR-Diktator so sehr gegen „Glasnost“ und Perestroika“ sträubte, wird ihm meist als Fehler angelastet. Doch womöglich hatte Honecker deutlicher als andere erkannt, wie sehr Gorbatschows „Offenheits“-Politik das zentrale Fundament kommunistischer Herrschaft unterhöhlte – und das war gar nicht so sehr aus Stasi-Terror gemauert, sondern vor allem aus der Absenz von Wahrheit, aus deren Verdrehung, Umdeutung, Verschleierung. Und dieses SED-Herrschaftsinstrument wirkt bis heute nach, glaubt man Wolfgang Berghofer, einst SED-Oberbürgermeister von Dresden.