Letzte deutsche Lichtdruck-Experten beraten heute in Sachsen Rettungswege für altes Kunsthandwerk
Dresden, 17. November 2014: Eine Dresdnerin will ein fast vergessenes Edeldruckverfahren wiederbeleben, das vor über 150 Jahren von einem Franzosen erfunden wurde und mit dem einst die DDR harte Devisen im Westen verdiente: den Lichtdruck. „Weltweit beherrschen diese tolle alte Handwerkstechnik nur noch ein Handvoll Leute“, sagt Colette Spayer-Polansky von der jungen Firma „Lux at Art“ in Dresden. Sie sieht diese hochwertige alte Technologie als besonders reizvoll für junge Fotokünstler oder Grafiker, die ihre Werke in limitierten und besonders qualitätvollen Auflagen verbreiten wollen.
Spezialfilme und Materialien weltweit kaum noch verfügbar
Allerdings sind viele Zutaten, spezielle Filme und Kameras, die für den Lichtdruck benötigt werden, teils weltweit nirgends mehr verfügbar. So werden beispielsweise dafür benötigte analoge Halbton-Filme nirgends mehr hergestellt, da die Fotoindustrie überall auf Digitaltechnik umgestiegen ist. Die Filme selbst sind aber nur etwa zehn Jahre lang haltbar, so dass auch die letzten Altbestände bald aufgebraucht sind. Deshalb hat die 42-jährige Firmengründerin Spayer-Polansky heute die letzten verliebenen Lichtdrucker aus Deutschland in Dresden zusammengetrommelt. Diese Experten wollen auf einer kleinen Tagung beratschlagen, welche Alternativ-Technologien und -Materalien für eine Lichtdruck-Renaissance in Sachsen in Frage kommen.
Einzigartig fein nuancierte und rasterfreie Farbübergänge beim Lichtdruck
„Diese Farbübergänge und rasterlosen Halbtöne bekommen Sie mit keinem anderen Druckverfahren so hin“, schwärmt Spayer-Polansky, während sie sich mit dem Fadenzähler über eine der alten Gemälde-Reproduktionen beugt, die sie in der Keller-Museumswerkstatt gefunden hat.
Und tatsächlich bestätigt die Vergrößerung den ersten Augenschein, den man von den fein nuancierten Drucken hat: Unter der Detaillupe zerfällt die reproduzierte Dresdner Frauenkirche nicht etwa in grobe Kästchen wie bei Massendruck-Technologien, sondern in unzählige unregelmäßige Pünktchen. Von Nahem wie von Weitem ist es eine Freude, diese Repros anzusehen.
Lichtdruck sehr zeit- und personalaufwendig
Ihre Herstellung ist allerdings sehr aufwendig, allein die Druckvorbereitung dauert zwei bis drei Tage. Dafür wird das Gemälde, der Kunstdruck oder andere zu vervielfältigende Bildnis zunächst mit einem speziellen analogen Halbtonfilm abfotografiert. Dann werden spezielle Lichtdruck-Gelatinen nach besonderen Rezepturen gemischt und mit lichtempfindlichen Bichromat-Salzlösungen verrührt.
Diese flüssige Masse schüttet der Lichtdrucker in einer Dunkelkammer auf eine großformatige Glasplatte, die dann in eine UV-Kammer kommt. Dort dienen die vorher angefertigten Negative als Vorlage für Ultraviolett-Strahlen (UV), um die Gelatine an hellen Stellen des Bildes zu härten, so dass sie dort farbabweisend wird.
Bis zu 12 Gelatine-Scheiben für Farben nötig – und schon nach 800 Stück ist finito
Diese entwickelte Platte dient dann als Vorlage in den Druckmaschinen. Und je nachdem, ob nur Graustufen oder auch Farben dargestellt werden sollen, müssen bis zu zwölf solcher Platten angefertigt werden. Und nach etwa 800 bedruckten Blättern ist schon Schluss: Danach ist die gummiähnliche, klebrige Runzelschicht, die für die feinen Farbnuancen sorgt, zu abgenutzt, um weiterdrucken zu können. Druckplatten, wie sie beispielsweise im gängigen Offset-Verfahren verwendet werden, schaffen dagegen viele Tausend Exemplare – die Druckresultate sind aber nicht mal annähernd so hochwertig.
Niedrige Lohnkosten in VEBs machten Lichtdruck-Westexport für DDR lukrativ
Die Beschreibung lässt es schon erahnen: Der Lichtdruck ist sehr zeit- und arbeitsintensiv. Vor der Wende war das kein Problem, da die Personalkosten in der DDR wegen der niedrigen Löhne gering blieben. Insofern war es für den SED-Staat ein lukratives Geschäft, im Druckerei-Standort des „VEB Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft“ an der Kipsdorfer Straße in Striesen großformatige und hochwertige Lichtdruck-Repros von Gemälden aus der Galerie „Alte Meister“ herstellen zu lassen. Die bekam dann aber kein normalsterblicher DDR-Bürger zu sehen, sie wurden vielmehr gegen harte Devisen im Westen veräußert oder als Geschenke an Staatsbesucher verteilt.
Alte Maschinen nun in Museumswerkstatt gelagert
Nach der Wende baute ein Dresdner Verein die Druckerei zu einem betreuten Wohnkomplex für Senioren um. Die Lichtdruck-Maschinen kamen in den Druckerei-Keller an der Bärensteiner Straße. Dort betrieb der SPD-Politiker und Unternehmer Karl Nolle neben dem Massendruck eine Museumswerkstatt, die als eine von vier Einrichtungen weltweit auch noch Lichtdrucke anfertigte – bis diese Spezialproduktion vor ein paar Jahren eingestellt wurde.
Spayer-Polansky stieß auf die Altbestände, wollte zunächst nur die bereits vorhandenen restlichen Lichtdrucke in einem Online-Laden verkaufen. Dann aber sei ihr der Gedanke gekommen, auch die alten Druckmaschinen zu reaktivieren und für eine Lichtdruck-Renaissance einspannen, berichtete sie. Sie wolle damit vor allem für Fotokünstler exklusive Repros ermöglichen.
Franzose und bayrischer Hoffotograf entwickelten Verfahren
Die Grundprinzipien des Lichtdruckverfahren wurden ursprünglich um 1856 von dem Franzosen Louis-Alphonse Poitevin entwickelt und um 1870 von dem bayrischen Hoffotografen Joseph Albert perfektioniert. Der Bayer nannte seine Lichtbild-Repros damals „Albertotypien“. Diese Lichtdrucktechnik wurde aber ab 1912 immer mehr vom billigeren Offset-Druck verdrängt. Autor: Heiko Weckbrodt
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